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Wie „schlimm“ ist es aus Ihrer Sicht als MedizinerIn unter dem Impostor-Syndrom zu leiden? Könnte man nicht sagen: lieber Under-Dog als Selbstüberschätzung?
Marcel von Rauchhaupt: Das ist ein spannender Punkt. Tatsächlich ist es in der Medizin wichtig, sich seiner Grenzen bewusst zu sein, da Selbstüberschätzung gefährlich sein kann. Wer denkt, er wüsste alles oder könne keine Fehler machen, läuft Gefahr, riskante Entscheidungen zu treffen. Insofern ist eine gewisse Demut und Vorsicht gegenüber der eigenen Leistung durchaus positiv.
Aber das Hochstapler-Syndrom ist mehr als nur „Under-Dog“-Denken. Es führt zu einem tiefgreifenden Zweifel an der eigenen Kompetenz. Diese ständigen Selbstzweifel können nicht nur emotional sehr belastend sein, sie beeinträchtigen auch die eigene Leistung. Wer permanent das Gefühl hat, er sei nicht gut genug, neigt dazu, sich übermäßig anzustrengen, ständig an sich selbst zu arbeiten und keine Pausen zuzulassen. Das kann zu Erschöpfung und letztlich zum Burn-out führen. Zudem kann es uns in unserer Arbeit hemmen. Wenn ich ständig daran zweifle, ob ich die richtige Entscheidung treffe, kann das im Ernstfall dazu führen, dass ich sie zu spät treffe.
Was würden Sie betroffenen Ärztinnen und Ärzten raten?
Marcel von Rauchhaupt: Mein erster Rat wäre: Akzeptieren Sie, dass Sie nicht allein sind. Das Hochstapler-Syndrom ist erstaunlich weit verbreitet, gerade in Berufen mit hoher Verantwortung und komplexen Anforderungen wie der Medizin. Viele haben ähnliche Gefühle, auch wenn man das oft nicht merkt.
Ein zweiter wichtiger Schritt ist es, sich selbst regelmäßig Feedback zu holen – sei es von Kollegen oder Vorgesetzten. Oft nehmen wir unsere eigenen Erfolge und Fähigkeiten nicht so wahr, wie sie wirklich sind. Andere können hier als Spiegel dienen und helfen, das eigene Selbstbild zu korrigieren. In einem Erfolgsjournal kann man dann täglich oder wöchentlich kleine Erfolge oder positive Rückmeldungen notieren. Diese bewusste Reflexion über das, was gut läuft, hilft, das Selbstbild langfristig zu verbessern. Hierbei kann auch eine Supervision oder ein Coaching hilfreich sein. Grundsätzlich gilt: Wenn man als Team oder Kollegium eine Atmosphäre schafft, in der man Fehler eingestehen und über Zweifel sprechen kann, dann wird das Thema enttabuisiert, und es wird einfacher, Hilfe zu suchen, bevor der emotionale Druck zu groß wird.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
Karin Greeck
Als freie Journalistin findet sie immer die richtigen Worte, um auch komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen. Spezialgebiete: spannende Interviews und Reportagen.
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