200. Geburtstag

Marie Simon: Die Wegbereiterin der modernen Pflege in Deutschland

Stich von Marie Simon
doctari Redaktion | 26.8.2024 | Lesedauer: 4 Minuten

Marie Simon prägte die deutsche Krankenpflege im 19. Jahrhundert maßgeblich. Ihr Erbe lebt in der modernen Pflege weiter. Zum 200. Geburtstag würdigen wir ihre Leistungen.

Am 26. August 2024 jährt sich der Geburtstag von Marie Simon zum 200. Mal. Ihre Arbeit hatte Einfluss auf viele Aspekte der modernen Pflege, insbesondere in Deutschland. Simons Engagement und ihr Pioniergeist in der Pflegeausbildung und im Einsatz für verwundete Soldaten haben nicht nur das Pflegewesen vorangebracht, sondern auch Standards gesetzt, die bis heute nachwirken.

Frühes Leben und Werdegang

Marie Simon wurde am 26. August 1824 in Doberschau, einer sorbischen Gemeinde in der Oberlausitz, geboren. Sie verlor ihre Eltern früh, ihre Jugend war anschließend geprägt von Reisen. Nach Aufenthalten in Österreich und Reisen nach Italien und Frankreich ließ sie sich 1852 in Dresden nieder. Dort heiratete sie und führte mit ihrem Mann ein Wäschegeschäft, bevor sie sich intensiv der Krankenpflege widmete. Ihre ersten pflegerischen Kenntnisse erwarb Marie Simon autodidaktisch und durch Hospitationen in renommierten Krankenhäusern wie dem Diakonissenkrankenhaus Dresden und der Universitätsklinik Leipzig bereits als Jugendliche. Diese frühzeitige Auseinandersetzung mit der Pflege legte den Grundstein für ihre spätere Karriere und ihren Einfluss auf die Professionalisierung des Pflegeberufs.

Der Weg zur Pflegepionierin

1863 präsentierte der Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant dem sächsischen Kronprinzen Albert den Plan zur Gründung des Roten Kreuzes in Sachsen, 1866 wurde der "Internationale Hilfsverein zur Pflege im Krieg verwundeter und erkrankter Soldaten für das Königreich Sachsen" gegründet. Ein Jahr später entstand der Albert-Verein unter dem Vorsitz der späteren Königin Carola, ein Frauenverein des Roten Kreuzes, der sich der Versorgung verwundeter Soldaten, aber auch bereits der Zivilbevölkerung, widmete. Marie Simon war von Anbeginn involviert.

Dazu trugen sicher auch ihre Erfahrungen aus dem Deutschen Krieg 1866 bei. Nach der Schlacht bei Königgrätz blieben hunderte verwundete Soldaten ohne medizinische Hilfe zurück, Marie Simon versorgte sie zusammen mit einer Handvoll Frauen und zeigte dabei großes Engagement und Durchsetzungsvermögen. Nach dem Krieg berief Kronprinzessin Carola von Sachsen Marie Simon in die Direktion des Albert- Vereins - als erste Bürgerliche überhaupt. Hier übernahm Simon eine zentrale Rolle in der Ausbildung und Führung der Pflegerinnen.

Engagement während des Deutsch-Französischen Krieges

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 stellte Marie Simon und die von ihr ausgebildeten Pflegekräfte vor große Herausforderungen. Zusammen mit zwölf Albertinerinnen war sie an vorderster Front tätig, um die Verwundeten zu versorgen. Immer wieder wird ihr Organisationstalent hervorgehoben, das sie in der Koordination von Pflegekräften und der Versorgung der Patienten bewies. Bekannt wurde sie auch durch das von ihr geführte „Freßkommando“, mit dem sie die Versorgung der Krankenhäuser und Verwundeten mit Lebensmitteln sicherte. In Frankreich nannte man sie „Nightingale allemande“, eine Anerkennung, die ihren Status als eine der wichtigsten Pflegekräfte ihrer Zeit unterstrich. Ihre humanitären Bemühungen und ihre Fähigkeit, auch unter den widrigsten Umständen für die Bedürfnisse der Verwundeten zu sorgen, brachten ihr zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter den Sidonienorden und die Médaille Militaire.

Noch mehr Pflegehistorie

Florence Nightingale: Aufbruch in die moderne Zeit: Krankenpflege und Medizin um 1820

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Einfluss auf die moderne Pflegeausbildung

Nach den Kriegen widmete sich Marie Simon intensiv der Verbesserung und Professionalisierung der Pflegeausbildung. Sie erkannte die Notwendigkeit, Pflegekräfte nicht nur praxisnah, sondern auch theoretisch fundiert auszubilden. In Dresden baute sie, unterstützt vom Albert-Verein, eine systematische Pflegeausbildung auf, die als wegweisend für die damalige Zeit galt. Sie veröffentlicht zwei Bücher: Meine Erfahrungen auf dem Gebiete der freiwilligen Krankenpflege im Deutsch-Französischen Kriege 1870 – 71 und Die Krankenpflege, theoretische und praktische Anweisungen. Unter ihrer Leitung entstand in Dresden-Neustadt eine Poliklinik sowie ein Sanatorium in Loschwitz, die beide als Ausbildungsstätten für Pflegekräfte dienten. Die Ausbildung der Frauen dauerte drei Jahre, die letzten sechs Monate arbeiteten die Auszubildenden in der Universitätsklinik Leipzig unter der Anleitung von Ärzten. Marie Simon legte großen Wert auf eine umfassende Ausbildung, die sowohl medizinische Kenntnisse als auch praktische Fähigkeiten umfasste. Sie setzte sich dafür ein, dass die Krankenpflege als Beruf anerkannt wurde und die zukünftigen Pflegekräfte ein fundiertes Wissen erhielten, das sie in die Lage versetzte, ihre Arbeit auf höchstem Niveau auszuführen.

Marie-Simon-Jahr in Sachsen

Marie Simon starb am 20. Februar 1877 in Loschwitz. Die von ihr eingeführten Standards in der Pflegeausbildung und ihre Bemühungen um die Anerkennung des Pflegeberufs haben die Pflege in Deutschland nachhaltig beeinflusst. Die Prinzipien, die sie vor über 150 Jahren aufstellte, sind heute noch in der Pflegepraxis zu finden.

Das Jahr 2024, in dem sich ihr 200. Geburtstag jährt, wird in Sachsen als „Marie-Simon-Jahr“ begangen. Zahlreiche Veranstaltungen und Gedenkfeiern erinnern an ihre außergewöhnlichen Leistungen und ihren Einfluss auf die moderne Pflege.

Bildquelle: picture alliance

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