Zeitarbeit in der Psychiatrie

"Ob ich 50 oder 140 Stunden/Monat arbeite, das entscheide ich"

Ärztin erklärt Patientin den Behandlungsplan
Karin Greeck | 4.5.2022 | Lesedauer: 3 Minuten

Oberärztin Katarzyna Battenfeld erzählt von ihren Erfahrungen als Vertretungsärztin in der Aktutpsychiatrie. Hier arbeiten Festangestellte und Zeitarbeitnehmende Hand in Hand.

Katarzyna Battenfeld trifft man entweder als Oberärztin im Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie oder als Biologin und Fotografin unter Wasser der sieben Weltmeere. Seit 2005 lebt und arbeitet die gebürtige Polin in Deutschland, seit 2017 ist sie über doctari an verschiedenen Kliniken in Deutschland im Einsatz. Die Zeitarbeit ermöglicht der 53-jährigen Mutter, ihr Familienleben, ihren Beruf und ihre Passion in Einklang zu bringen.

Frau Battenfeld, wie sieht ein typischer Tag für Sie aus?
Momentan übernehme ich Tag- und Nachtdienste und vertrete KollegInnen in Oberarztstellen, vor allem in der Suchtmedizin. Das heißt, PatientInnen, die in die Klinik kommen, werden von mir fachärztlich untersucht und es wird eine Behandlung besprochen. Dort wo ich eingesetzt werde, fehlen Ärztinnen und Ärzte, um diese Arbeit rund um die Uhr zu leisten.

Es heißt, es gäbe einen fünffachen Anfrageanstieg in ihrem Fachgebiet im Zuge der Corona-Pandemie. Kann das Modell der Zeitarbeit in dieser Ausnahmesituation einen Beitrag zur Systemaufrechterhaltung leisten?
Tatsächlich hätten es die Kliniken ohne die Ärztinnen und Ärzte aus Zeitarbeitsfirmen wie doctari sehr schwer, ihrer Versorgungspflicht nachzukommen. Das ist allerdings kein Phänomen der Pandemie, sondern des Ärztemangels allgemein. Leihärztinnen und Leihärzte können hier kurzfristig über Engpässe hinweg helfen.

"Ich kann selbst bestimmen, wie ich meine Zeit in der Arbeit einsetze und wie viel ich arbeite."

Katarzyna Battenfeld

Wie passt solch ein kurzzeitiger Einsatz mit einer gemeinhin langfristigen psychologischen Beratung zusammen?
In meinem Einsatzbereich gibt es keine Langzeitbehandlungen oder Langzeitpsychotherapien. In der Akutpsychiatrie behandeln wir meist über einen Zeitraum von Wochen und nur in sehr seltenen Fällen über Monate. Zudem übernehme ich häufig die Nachtdienste. Das heißt, ich arbeite ab nachmittags bis zum nächsten Tag. Am Nachmittag kommen meist akute Fälle.

Sie haben sich bewusst für dieses Arbeitsmodell in Zeitarbeit entschieden – warum?
Ich habe einen kleinen Sohn – dieses Arbeitsmodell ist dafür optimal und sehr bequem. Ich kann so selbst bestimmen, wie ich meine Zeit in der Arbeit einsetze und wie viel ich arbeite. Ob ich 50 Stunden oder 140 Stunden im Monat arbeite, das entscheide ich bei doctari selbst als Arbeitnehmerin. Und ich kann das auch jederzeit ändern.

Verzweifelte Frau versteckt ihr Gesicht

Akutpsychiatrie in der Suchtmedizin: Hier geht es eher um eine erste Stabilisierung und einen Plan für die Zukunft

Ist das in einer regulären Festanstellung anders?
In der Regel ja. Diese Flexibilität und Selbstbestimmtheit quasi von Monat zu Monat habe ich in einer Anstellung aus vielen Gründen nicht. Nach 20 Jahren in Festanstellung genieße ich das sehr. Aber das ist nicht der einzige Vorteil.

Welche Vorteile sehen Sie außerdem?
Die positive Seite ist, dass man ein schlechtes Arbeitsverhältnis jederzeit beenden und gehen kann. Man kann zudem Angebote selbst auswählen. Einige KollegInnen machen nur Nachtdienste, andere arbeiten nur tagsüber, wieder andere gemischt. So kann man sein Leben viel besser planen und die eigenen Bedürfnisse nach Freiheit erfüllen.

Denken Sie, es wird in Zukunft mehr Zeitarbeitskräfte und weniger Festangestellte geben?
Ich darf als Zeitarbeitskraft in einem Krankenhaus erst einmal nur 18 Monate arbeiten, dann werde ich woanders eingesetzt oder der Arbeitgeber muss mich übernehmen. Das kann eine gute, wertvolle Erfahrung sein, um auch andere Kliniken kennenzulernen. Es ist aber nicht für jede und jeden geeignet. Ich denke auch für das System muss es weiterhin festangestellte Fachkräfte geben. Die Mischung aus Zeitarbeit und Festanstellung ist aus meiner Sicht gesund.

Vielen Dank für das Interview!

Mehr zu Katarzyna Battenfeld und ihren Unterwasser-Fotografien gibt hier unter kbattenfeld.de.

Neugierig geworden?

Wenn auch Sie Interesse daran haben, mit Vertretungseinsätzen Geld zu verdienen, registrieren Sie sich!

Jetzt registrieren

Autor

Karin Greeck

Als freie Journalistin findet sie immer die richtigen Worte, um auch komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen. Spezialgebiete: spannende Interviews und Reportagen.

Inhaltsverzeichnis
Teilen
Mehr zum Thema
Mode
Vom Gehrock zum Kasack: Eine kurze Geschichte der Arztkleidung

Der klassische, weiße Arztkittel kommt aus der Mode. Nicht jedem gefällt dieser Trend. Doch vor etwas mehr als 100 Jahren sahen Mediziner auch schon anders aus.

Zum Artikel >
Ein Gemälde von Thomas Eakins zeigt Chirurgen im weißen Kittel
Interview: Marcel von Rauchhaupt
„Wertschätzung dient der mentalen Gesundheit“

In diesem Interview spricht Psychiater Dr. Marcel von Rauchhaupt über Wertschätzung und was sie für ihn und andere ÄrztInnen bedeutet.

Zum Artikel >
Psychiater Marcel von Rauchhaupt spricht mit uns über Wertschätzung
Erste Hilfe
Die Geschichte der Ersten-Hilfe-Schulung

Damit im Falle eines medizinischen Notfalls jeder weiß, was er tun muss, gibt es Erste-Hilfe-Schulungen. Ein Überblick über die Geschichte.

Zum Artikel >
Wertschätzung
Ärztin oder Arzt Danke sagen: Welche Formen gibt es?

Manche Patienten möchten ihrem Arzt oder ihrer Ärztin danken, etwa nach schwerer Krankheit. Doch wie? Was ist angemessen?

Zum Artikel >
Sagen Sie Ihrem Arzt "Danke", denn Ärzte setzen sich täglich für die Gesundheit anderer ein.
Diagnose
Patientensicherheit: Diagnosesicherheit im Fokus

Am Welttag der Patientensicherheit steht die Diagnosesicherheit im Fokus: Wie wirken sich Personalmangel und Arbeitsbelastung auf sichere Diagnosen aus?

Zum Artikel >
Arzt teilt Patienten Diagnose mit
Leben retten
Erste Hilfe: Jede Hilfe ist besser als keine Hilfe

Am 14. September findet der Tag der Ersten Hilfe 2024 statt ­­– weltweit. Er erinnert daran, wie wichtig es ist, im Notfall zu helfen.

Zum Artikel >
Frau ruft Rettungsdienst nach Fahrradunfall
Werden Sie jetzt Teil von doctari und finden Sie Ihren Traumjob