Digas, KI und Telemedizin

Digitale Medizin: Alltag oder Zukunft?

Digitale Medizin: Traum oder Realität?
Karin Greeck | 24.1.2025 | Lesedauer: 4 Minuten

Ob KI oder Telemedizin, durch digitale Unterstützung können Versorgungslücken geschlossen und die Behandlungsqualität verbessert werden.

Digitale Medizin betrifft alle Bereiche

Wer „Möglichkeiten digitaler Behandlung“ in eine Suchmaschine eingibt, erhält eine Trefferliste so vielfältig wie das Thema selbst. Das reicht von „digitaler Medizin“ über „digitale Therapien“ und „digitale Gesundheitsanwendung“ bis hin zu „digital gestützte Behandlung“ oder „digitale Diagnostik“.

Bei der weiteren Recherche zeigt sich, dass scheinbar kein Bereich der Medizin mehr vom Thema Digitalisierung unbetroffen bleibt. Sogar ein neuer Studiengang „Digitale Medizin“ ist im Angebot.

Doch wie digital ist der Gesundheitssektor im Jahr 2024 tatsächlich? Vor allem im Hinblick auf die Behandlung von Patientinnen und Patienten? Der ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Freiburg, Prof. Frederik Wenz, gibt dazu in einem Videobeitrag des Klinikums folgende Antwort: „Wir können schon heute sagen, dass kein Patient am Universitätsklinikum Freiburg ohne KI behandelt wird“.

Die App sinCephalea hilft dabei, Migräne vorzubeugen.

Behandlung mit KI: Norm oder Traum?

Verfolgt man die aktuelle Entwicklung digitaler Behandlungsmöglichkeiten in Deutschland, ist das Digitale Versorgungs-Gesetz (DVG) der Bundesregierung ein wichtiger Anker. Demnach haben versicherte Patientinnen und Patienten seit 2019 einen Leistungsanspruch auf Versorgung mit Digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA.

Das Bundesministerium definiert DiGA selbst als „bestimmte Gruppen von digitalen CE-gekennzeichneten Medizinprodukten, die die Versicherten etwa bei der Behandlung von Erkrankungen oder dem Ausgleich von Beeinträchtigungen unterstützen können“. Gemeint sind zertifizierte und geprüfte Apps und Online-Anwendungen auf Rezept.

Es ist noch ein langer Weg

Als solche kommen sie bereits in diversen Medizinbereichen zum Einsatz – von der Onkologie über die Psycho- oder Physiotherapie bis zur Gynäkologie, Neurologie oder Ernährungsmedizin. Diese Methode kann – je nach Anwendungsbereich – als niedrigschwelliger Ansatz einer KI-basierten Behandlung betrachtet werden. Allerdings ist damit nur ein kleiner Teil der gesamten Versorgungsstrecke im digitalen Gesundheitswesen abgedeckt.

Insgesamt sei hier noch viel Luft nach oben, schließt das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering in einem Whitepaper zur digitalen Gesundheitsversorgung im Jahr 2033. Bis zu einer komplett KI-basierten Gesundheitsversorgung sei es demnach noch ein langer Weg, wenngleich Umfragen zufolge der Umsatz durch Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen weltweit steigt.

Mehr Selbstbestimmung: Der digitale Patient

Der positive Effekt von DiGA auf Patientenseite liegt auf der Hand: mehr Selbstbestimmung, weniger Wartezeiten und in Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärztin eine effiziente, schnelle Versorgung. Nicht zuletzt bei Migräne, Depression, Schlafstörungen, aber auch bei Krebs oder nach einem Schlaganfall können Apps oder Webanwendungen heute bereits als verschreibungspflichtiges Medizinprodukt Versorgungslücken schließen und die Behandlung unterstützen. Die Plattform gesund.bund.de beschreibt Szenarien, in denen Apps zum Beispiel als Schmerz-, Mess- oder Medikationstagebuch genutzt werden. Ebenso können zur Verlaufskontrolle von Krankheiten wichtige Gesundheitsdaten zwischen Arztbesuchen übermittelt werden. Zudem stehen Erkrankten Erinnerungsfunktionen, Informationen und Therapiemöglichkeiten jederzeit und überall digital zur Verfügung.

Mehr Behandlungsqualität: Der digitale Arzt

Doch wie sieht es auf Arztseite aus? Welche digitalen Behandlungsmöglichkeiten nutzen Medizinerinnen und Mediziner außerdem im Jahr 2024?

Die elektronische Patientenakte, das E-Rezept oder digitale Gesundheitsanwendungen erleichtern vor allem die Behandlungsabläufe niedergelassener Ärztinnen und Ärzte. Im ambulanten Bereich bieten sich jedoch noch ganz andere KI-gestützte Möglichkeiten. Etwa bei der Spracherkennung, der Kodierung, Bildverarbeitung oder Verarbeitung genomischer Daten, erklärt Dr. Frederik Wenz im Videobeitrag des Universitätsklinikums Freiburg. Hier werde alles, was das menschliche Gehirn aufgrund der hohen Komplexität nicht leisten könne, von Künstlicher Intelligenz übernommen. Ärztinnen und Ärzte können sich so wieder mehr auf die Qualität der Behandlung konzentrieren.

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Technik die erleichtert: Telemedizin

Neben der intelligenten Datenanalyse und präziser Diagnostik durch digitale Assistenz und KI, wächst die Bedeutung von Telemedizin. In einer 2020 durchgeführten Deloitte-Umfrage gaben gut 30 Prozent der fast 2.000 befragten ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen in Deutschland an, Telemedizin zu nutzen. In anderen europäischen Ländern waren es sogar bis zu 60 Prozent.

Laut gesund.bund.de ist damit die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie zur Diagnostik, Beratung und Bewertung von Patientendaten mit räumlichem aber auch zeitlichem Abstand gemeint. Ein Beispiel ist die Videosprechstunde.

Weitere Möglichkeiten bieten das Telemonitoring zur Kontrolle medizinischer Daten oder der Tele-Hausbesuch. Diesen übernimmt dann eine medizinische Fachkraft und stellt vor Ort den Kontakt zur Ärztin oder dem Arzt her.

Aber nicht nur auf Arzt-Patient-Ebene hilft die Telemedizin. Durch den digitalen Anschluss kleinerer Krankenhäuser an sogenannte größere Stroke-Units via Telemedizin können sich KollegInnen aus der Ferne gegenseitig unterstützen. Besonders für regional abgeschiedene Orte mit kleinen Kliniken biete das laut gesund.bund.de eine große Chance.

In den Startlöchern: Systemmedizin

Ein besonderes Augenmerk liegt aktuell auf der Systemmedizin. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt nach eigenen Angaben die Weiterentwicklung in internationaler Zusammenarbeit. Ziel der Systemmedizin ist es, die verschiedenen Systeme und deren komplexe Wechselwirkungen im menschlichen Körper ganzheitlich zu betrachten und dabei auch Genomik, Verhalten und Umwelteinflüsse zu beachten. Dafür entwickelt die Systemmedizin unter anderem Computermodelle, die dem menschlichen System maximal gleichen und die dann sowohl Krankheiten als auch Therapien stellvertretend simulieren und testen.

2033: Grenzen und Möglichkeiten digitaler Behandlung

Bei einer Bitkom-Umfrage aus dem Jahr 2022 unter 166 Ärztinnen und Ärzten in deutschen Krankhäusern gaben gerade einmal neun Prozent an, KI beispielsweise bei der Auswertung bildgebender Verfahren zu verwenden.

Die Frage ist: Wie schnell wird sich das ändern? Das Fraunhofer Institut für experimentelles Software Engineering entwarf in einem Visionsworkshop mit ExpertInnen aus verschiedenen Bereichen der Gesundheitsversorgung und Wissenschaft drei Szenarien für das Jahr 2033. In einem Szenario existiert 2033 ein „europäisches Datenökosystem“ und alle Menschen haben einen digitalen Patientenzwilling auf Basis von KI-Vorhersagen und Daten. Zudem können Pflegeroboter emotional agieren.

Ist das die Zukunft? Dagegen sprechen in zwei alternativen Szenarien mangelnde Akzeptanz, komplexe technische Voraussetzungen und nicht zuletzt hohe Datenschutzanforderungen. Fazit: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen und damit auch die Möglichkeiten digitaler Behandlung steht gegenüber anderen Lebensbereichen noch am Anfang – allerdings mit einem enormen Potential. 

Titelbild: iStock.com/Tippapatt

Autor

Karin Greeck

Als freie Journalistin findet sie immer die richtigen Worte, um auch komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen. Spezialgebiete: spannende Interviews und Reportagen.

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