Aggressive PatientInnen

Deeskalation: 7 Tipps für medizinisches Personal

Junge medizinische Fachkraft kreuzt vor ihrem Körper beide Zeigefinger zur Abwehr
Amely Schneider | 11.3.2024 | Lesedauer: 4 Minuten

Beschimpfungen, Drohungen und Gewalt gegenüber medizinischem Personal gehören in vielen Kliniken zum Alltag. Wir geben Tipps, wie man solche Situationen entschärft.

Ein Video aus einer Berliner Notaufnahme sorgte Anfang des Jahres deutschlandweit für Erschütterung. Darin schlugen drei Männer auf einen Pfleger und einen Arzt ein. Ein Ereignis, das leider kein Einzelfall ist. Die Gewalt gegen medizinisches Personal steigt, wie eine Umfrage des „Spiegel“ bei 16 Landes­kriminalämtern zeigt.

Wer Schmerzen und Sorgen hat, ist schneller gereizt

Bei vielen dieser Vorfälle hat das medizinische Personal mit alkoholisierten, psychisch kranken oder drogenabhängigen Menschen zu tun. Auch in vollen Warteräumen der Notaufnahmen und Rettungsstellen kommt es oft zu Auseinandersetzungen. Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige werden schneller frustriert, wenn sie lang warten müssen und dabei Schmerzen haben oder sich Sorgen machen. Manche werden ausfallend, weil ihnen verweigert wird, Angehörige zu begleiten oder weil sie sich gegenüber anderen Patienten und Patientinnen benachteiligt fühlen.

Wenn Pflegekräfte und ÄrztInnen auf aggressive PatientInnen treffen, dann kann man die gereizten Personen meist mit Hilfe von Deeskalation beruhigen. Dabei spielen die eigene innere Haltung, Sprache und Stimme eine entscheidende Rolle.

Der beste Schutz vor tätlichen Übergriffen ist Prävention, also möglichst früh zu reagieren

7 Tipps, wie sich Konflikte im Krankenhaus entschärfen lassen

  1. 1.
    Erste Anzeichen erkennen: Deeskalation wirkt am besten, wenn sie so früh wie möglich eingesetzt wird. Pflegekräfte und ÄrztInnen können an verschiedenen Körpersignalen erkennen, ob jemand gereizt ist. Trampelt die Person mit dem Fuß auf den Boden? Wirkt sie hektisch, unruhig, verzieht sie das Gesicht? Wenn medizinisches Personal früh solches Verhalten wahrnimmt, dann lohnt es sich, den Menschen anzusprechen, bevor er oder sie emotional ausbricht.
  2. 2.
    Empathie: Medizinisches Personal sollte Verständnis haben und wertschätzend bleiben. Das wird dem Gegenüber das Gefühl geben, ernst genommen zu werden. Kommt zum Beispiel ein Patient, eine Patientin in die Notaufnahme und beschwert sich lautstark darüber, dass er oder sie schon seit Stunden wartet, kann man sagen: „Ich verstehe, dass Sie sich Sorgen machen und frustriert sind, weil Sie lange warten mussten. Es tut mir leid für die Unannehmlichkeiten. Wir tun unser Bestes, um Ihnen so schnell wie möglich zu helfen.“ Aggressiven Personen mit Hohn, demonstrativer Ignoranz oder mit Floskeln zu begegnen, verschlimmert die Situation meist.
  3. 3.
    Ruhig und sachlich bleiben: Auch, wenn es schwerfällt: Als Ärztin, Arzt oder Pflegekraft sollte man nicht auf Provokationen eingehen. Denn das schaukelt den Konflikt nur weiter hoch. Stattdessen hilft es, freundlich und sachlich zu bleiben. Wird eine Patientin zum Beispiel beleidigend und schreit einen Arzt an, weil sie der Meinung ist, nicht angemessen behandelt zu werden, sollte der Arzt weiterhin mit ruhiger Stimme zu ihr sprechen: „Ich verstehe, dass Sie sich frustriert fühlen, aber ich bitte Sie, Ihre Stimme zu senken, damit wir dieses Gespräch konstruktiv führen können. Lassen Sie uns gemeinsam eine Lösung finden."
  4. 4.
    Optionen aufzeigen: Ein Gespräch mit einem aggressiven Patienten sollte von Seiten der Ärztinnen, Ärzte oder der Pflegekräfte konstruktiv sein. Gibt es irgendetwas, das man den PatientInnen anbieten kann, damit sich ihre Situation wenigstens ein bisschen verändert? Aggressionen entstehen häufig aus einem Gefühl des Kontrollverlusts heraus und der Ohnmacht, die Situation nicht beeinflussen zu können. Als Fachkraft sollte man kleine Alternativen aufzeigen. Zum Beispiel: „Nehmen Sie sich gern etwas Wasser, während Sie warten!" Erklären Sie sachlich, aus welchem Grund manche PatientInnen früher drankommen – dass also nach Dringlichkeit behandelt wird.
  5. 5.
    Den eigenen Ärger im Zaum halten: Um sich selbst in stressigen Situationen ruhig zu halten, kann es helfen, sich innerlich auf Provokationen vorzubereiten, sobald man sie kommen sieht. Etwa, indem man sich sagt: „Das wird mich gleich ärgern, aber ich kann damit umgehen.” Zudem hilft es, die Bedeutung des Konflikts für das eigene Leben einzuordnen („In einer Woche werde ich das wieder vergessen haben.“) und sich außerdem klar zu machen: Es handelt sich um eine Arbeitssituation. Verbale Angriffe von PatientInnen und Angehörigen sind Ausdruck von innerer Not, Hilflosigkeit oder Wut.
  6. 6.
    Defensive Körperhaltung: Es empfiehlt sich, schon zu Beginn einer Auseinandersetzung einen Sicherheitsabstand einzuhalten. Die Arme sollte man vor dem Körper halten, um sich bei einem Angriff schnell schützen zu können. Manche Experten empfehlen eine leicht seitliche Körperhaltung, weil diese weniger provozierend wirke als sich frontal vor jemandem aufzubauen. Da man nie sicher sein kann, wie sich ein Konflikt weiterentwickelt, sollte man bereits früh Fluchtmöglichkeiten im Blick halten und sich nicht in eine Ecke drängen lassen.
  7. 7.
    Gestaltung von Warteräumen: Wenn Menschen in der Notaufnahme stundenlang warten müssen, und dabei nichts zu trinken und zu essen haben, werden sie schneller aggressiv. Auch fehlende Fenster, trübe oder grelle Farben oder unangenehmes Licht können auf die Stimmung schlagen. Musik, Zeitschriften oder Fernseher können für Ablenkung sorgen, und auch Grünpflanzen haben nachweislich eine positive Wirkung auf die Psyche.

Spezielle Trainings für Mitarbeiter sind wirksam

In Deeskalationstrainings, die bereits viele Krankenhäuser anbieten, sollen Mitarbeitende lernen, besser mit schwierigen PatientInnen und Angehörigen umgehen zu können. In Vorträgen, Gruppenarbeiten und Rollenspielen lernen sie, Konflikte und Gewalt zu entschärfen. Eine Untersuchung an der Berliner Charité ergab, dass solche Schulungen wirksam sind. Vorfälle von Gewalt ließen sich dadurch nachweislich reduzieren.

Wenn Worte nicht mehr reichen

Es gibt aber auch Situationen, in denen man durch Reden nicht mehr zu jemandem vordringen kann, insbesondere, wenn Menschen stark betrunken sind, unter Drogen stehen oder sich in bestimmen psychischen Zuständen befinden. Dann bleibt nur die Möglichkeit, den Sicherheitsdienst oder gleich die Polizei zu rufen sowie sich selbst und andere in Sicherheit zu bringen.

Titelbild:iStock.com/AaronAmat

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Amely Schneider

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