Berufskleidung

Weißer Kittel oder Hawaiihemd: So wirkt Arztkleidung auf PatientInnen

Eine Grafik zeigt eine Gruppe von Ärzten in verschieden farbiger Kleidung
Amely Schneider | 20.9.2024 | Lesedauer: 4 Minuten

Einst gehörte der weiße Kittel zum Arztberuf wie das Stethoskop um den Hals. Heute ist erwiesen: Auch andere Farben können vertrauenswürdig wirken.

Weites Hemd mit kurzen Ärmeln, darauf pinke Palmen auf blauem Grund – für dieses bunte Outfit ist der Allgemeinmediziner Joachim Teich in seinem Heimatort Königswartha in Sachsen bekannt. In seiner Praxis trägt er keinen weißen Kittel, sondern ausschließlich Hawaiihemden, wie die Ärztezeitung berichtete. Zehn verschiedene Varianten besitzt Joachim Teich für seinen Praxisalltag – in der Adventszeit trägt er sogar Hemden mit Weihnachtsmotiven.

Von Hellblau bis Schwarz: Welche Farben wirken wie?

Tatsächlich hat eine US-Studie der University of North Carolina ergeben: Die Kleidung hat Einfluss darauf, wie PatientInnen MedizinerInnen wahrnehmen und welche Eigenschaften sie ihnen zuschreiben. Die Ergebnisse sind im Fachjournal „Jama Surgery“ erschienen. Für ihre Studie präsentierten die ForscherInnen 113 PatientInnen und BesucherInnen eines Universitätskrankenhauses in Chapel Hill Bilder von männlichen und weiblichen Models, die Arztbekleidung in vier verschiedenen Farben trugen: Hellblau, Marineblau, Grün und Schwarz. Als Vorbild dienten die Farben der medizinischen Berufskleidung in TV-Serien wie „Greys Anatomy“ oder „Chicago Med“. Das klassische Weiß war nicht dabei.

Junger Arzt steht in einem bunten Hemd auf einem Krankenhausflur.

Marineblau lässt Ärztinnen und Ärzte vertrauensvoll wirken

Die TeilnehmerInnen sollten je nach Farbe entscheiden, wen sie als besonders vertrauenswürdig, fürsorglich oder kompetent einschätzten. Es zeigte sich, dass die Klinikmitarbeitenden in blauen Kitteln am häufigsten als am fürsorglichsten und vertrauensvollsten eingestuft wurden. Vor allem denjenigen, die Marineblau trugen, ordneten die StudienteilnehmerInnen am häufigsten positive Eigenschaften zu.

Die grünen Kasacks kamen mittelmäßig gut an. Models in grüner Kleidung wurden allerdings am ehesten für Chirurgen oder Chirurginnen gehalten. Einige der TeilnehmerInnen gaben aber auch an, grüne Kleidung eher mit dem Beruf Hausmeister oder mit Reinigungspersonal zu verbinden.

Schwarz sollten ÄrztInnen lieber nicht tragen

Eine Farbe stieß bei der Befragung auf klare Ablehnung: Schwarz. Die PatientInnen und BesucherInnen schätzten die Träger von schwarzer Kleidung als am wenigsten kompetent, vertrauenswürdig und fürsorglich ein. Einige sagten, dass sie schwarze Kleidung vor allem mit Bestattung und Tod verknüpften. Auf diese Farbe sollte man im Krankenhaus also wohl lieber verzichten.

Ein Drittel der Befragten sagte zudem, dass ihnen das Erscheinungsbild von ÄrztInnen durchaus wichtig sei. Ein Viertel war der Meinung, dass die Kleidung auch ihr Urteil über die Behandlung beeinflusse. PatientInnen ab 65 Jahren aufwärts wurden durch die Berufskleidung in ihrer Wahrnehmung stärker beeinflusst als jüngere Patientengruppen. 

Grün und Blau kann beruhigende Wirkung haben

Das Erscheinungsbild eines Arztes oder einer Ärztin kann auf verschiedene Art und Weise Einfluss auf das Verhältnis zum Patienten haben. Wirkt die Medizinerin zum Beispiel sehr formell, traut sich das Gegenüber womöglich nicht, Probleme anzusprechen, die ihm unangenehm sind.

Ein lässiges Freizeit-Outfit kann wiederum zur Folge haben, dass der Arzt nicht ernst genommen wird. Womöglich werden Verordnungen dann weniger strikt befolgt – zum Beispiel, wenn es um die Medikamenteneinnahme geht.

PsychologInnen konnte zudem zeigen, dass Farben Einfluss auf das Nervensystem haben und Gefühle verändern können. Gelb kann die Stimmung heben und die Konzentration fördern, Grün und Blau können nervenberuhigend sein. Die Farbe Rot hat einerseits Alarmwirkung und kann aggressiv machen, andererseits kann sie aber auch eine wärmende Wirkung haben.

Kurze Ärmel und Polohemden werden auf Krankenstationen häufiger

Auch die Art der Kleidung auf Station in Krankenhäusern und Kliniken oder in Arztpraxen hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Der klassische, weiße Kittel ist heute nicht mehr die Norm. In Ländern wie Großbritannien und den Niederlanden wurde er ganz abgeschafft. Manche MedizinerInnen arbeiten mittlerweile in legerer Kleidung, kurzärmligen Kasacks, T-Shirts oder Polohemden. Manche tragen auch Fleece- und Softshell-Jacken oder -Westen, die mit den Insignien der Praxis oder des Krankenhausträgers versehen sind.

Und wie finden die PatientInnen die neuen Formen der Kleidung? Das haben ForscherInnen am Universitätsspital Zürich (USZ) untersucht. Sie wollten wissen, in welcher Art von Kleidung MedizinerInnen am vertrauenswürdigsten, fürsorglichsten oder kompetentesten wirken. Dafür wurden 834 PatientInnen der Ambulanzen für Dermatologie, Neurologie und Infektionskrankheiten am Universitätsspital Zürich ein anonymer Fragebogen mit Bildern einer Ärztin und eines Arztes in verschiedenen Kleidungskombinationen vorgelegt: Geschäftsanzug, farbiges T-Shirt und der klassische, weiße Arztkittel.

Filmtipps für Ärztinnen und Ärzte
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Der weiße Kittel strahlt nach wie vor am meisten Kompetenz aus

Tatsächlich bevorzugten die meisten TeilnehmerInnen eine Kombination aus weißer Unterkleidung und weißem Kittel. Dieses Outfit schnitt insgesamt über alle Kategorien am besten ab – von Vertrauen über Fürsorglichkeit bis hin zu Kompetenz. Wahrscheinlich liegt das daran, dass das traditionelle Bild des Mediziners in Weiß auch durch Filme über Ärzte, Ärztinnen und TV-Serien noch sehr stark in den Köpfen verankert ist.

Die Offenheit gegenüber anderer Berufskleidung von ÄrztInnen nimmt jedoch zu wie eine weitere Studie aus den USA zeigt. Hier wurden zwei Befragungen aus den Jahren 2017 und 2022 miteinander verglichen. Das Ergebnis: Die Präferenz der PatientInnen für den weißen Kittel ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen – das gilt sowohl für ÄrztInnen im Krankenhaus als auch in Arztpraxen. Zogen im Jahr 2017 noch 79 Prozent der Befragten den weißen Kittel vor, waren es 2022 nur noch 64 Prozent. Das typische Bild vom Arzt in Weiß scheint sich also zu wandeln. Wie Ärzte in Hawaiihemden auf PatientInnen wirken, hat bis jetzt allerdings noch niemand wissenschaftlich untersucht. 

Titelbild: iStock.com/Anna Semenchenko/doctari

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Amely Schneider

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