Helen Sange klärt über die Wechseljahre und ihre Auswirkungen auf die Frauengesundheit auf
Obwohl 50 Prozent der Bevölkerung die Wechseljahre durchleben wird, sind die Symptome der Perimenopause und deren Ausmaße häufig nicht allen geläufig. Ein Erklärungsversuch ist, dass die Thematik von den vorherigen Generationen oft mit Scham behaftet verschwiegen wurde und auch von ÄrztInnen zum Teil verkannt wird. Das häufigste Symptom, welches aufgeführt wird, sind die Hitzewallungen.
Wenn man ein wenig in den eigenen Erinnerungen kramt, fallen einem die Mutter, Tante, Oma ein, die plötzlich mit hochrotem Gesicht die Fenster aufgemacht haben. Aber haben diese Personen auch von weiteren Beschwerden berichtet? Dauerblutungen, unregelmäßiger Zyklus, Brainfog (Gehirnnebel), Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Ein- und Durchschlafstörungen, Herzrasen oder Herzsstolpern, Schwindel, Gelenkschmerzen, verstärktes PMS (prämenstruelles Syndrom) mit empfindlichen Brüsten, Wassereinlagerungen und depressiver Verstimmung, trockene Schleimhäute, Neigung zu wiederholten Harnwegsinfektionen und vermehrten Migäneanfällen, Haarausfall, Veränderung des Hautbildes und Gewichtszunahme?
Oft denken ältere Generationen, aber auch heutige Betroffene, dass sie diese Phase stoisch aushalten müssen. Die Phase der Perimenopause - die Zeit um die letzte Regelblutung - kann bereits bis zu 10 Jahre vorher beginnen und die letzte Regelblutung im europäischen Raum erfolgt bei durchschnittlich 52 Jahren. Demnach ist es durchaus realistisch, dass sich bereits vor dem 40. Lebensjahr erste Symptome zeigen. Hierbei handelt es sich um einen schleichenden Prozess, bei dem sensiblere Personen früher Symptome merken als andere.
Diese “zweite Pubertät” mit all den physischen und mentalen Auswirkungen ist eigentlich für einen selbst ausreichend beschäftigend. Im Gegensatz zur Jugendzeit steht die erwachsene perimenopausale Person nun im fest im Leben und hat diverse Verpflichtungen: (pubertierende) Kinder, zu pflegende Angehörige, berufliche Anforderungen, etc. Und das in einem Umfeld, welches nicht genug informiert ist und vielleicht deshalb auch weniger Verständnis zeigen kann.
Aber auch die Betroffenen selbst sind oft unnachsichtig mit sich selbst. Der Druck, funktionieren zu müssen ist groß, und die To-Do-Liste lang. Aber was tun? Die wichtigste Ansprechperson ist die betreuende Gynäkologin oder der betreuende Gynäkologe. Falls die Symptome nicht proaktiv abgefragt werden, ist es eine gute Idee, mit einer Liste der Symptome zum Termin zu gehen. Die Symptomlinderung kann sehr individuell gestaltet werden: von pflanzlichen Mitteln bis hin zur Hormonersatztherapie mit bioidentischen Hormonen. Jedoch helfen die Therapien nicht immer zu 100 Prozent, um alle Symptome zu beseitigen. Die Perimenopause ist therapeutisch herausfordernd, da die eigenen Hormone mitwirken und diesen den wechseljahrestypischen Schwankungen unterliegen.
Neben der oben genannten Therapie können auch kleine Maßnahmen große Auswirkungen haben. Es wäre empfehlenswert, auf eine ausgewogene und proteinreiche Nahrung zu achten, ebenso wie auf eine optimale Mikronährstoffzufuhr. Ausreichend Bewegung, besonders mit dem Fokus auf Kraft, reduziert das Risiko für Osteoporose (Knochenschwund) und beugt kardiovaskulären Erkrankungen vor. Ausreichend Tageslicht und Reduktion von künstlichem blauen Licht (Bildschirme) sowie Zuführen der Aminosäure L-Tryptophan unterstützen die Produktion des körpereignen Schlafhormons Melatonin, welches wiederum den Schlaf fördert.
Tipps für die Perimenopause
Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Umfeldgestaltung: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Indem man offen kommuniziert, können Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde, Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen gezielter helfen. Ein Beispiel wäre es, eine OTA-Fachkraft mit starken vasomotorischen Symptomen eher nicht bei Operationen in schweren Bleischürzen oder warmen OP-Sälen einzusetzen. Oder die Person mit starken Schlafstörungen weniger mit häufig wechselnden Dienstzeiten zu belasten und weniger in der Nachtarbeit einzusetzen.
Eine weitere Möglichkeit wäre es, der Kollegin mit starken Konzentrationsstörungen für Aufgaben mehr Zeit zuzugestehen. Oft ist dies im hektischen medizinischen Alltag mit Unterbesetzung jedoch nicht zu bewerkstelligen. Da gilt es zu überlegen, ob eine Reduktion der Arbeitszeit oder gar ein anderes Arbeitsmodell wie die Zeitarbeit sinnvoll sein könnte.
Des Weiteren hilft Delegation von Verpflichtungen im privaten Umfeld. Denn oft ist es die Frau, die die meiste Versorgungsarbeit - die sogenannte Care Arbeit - leistet und dementsprechend auch einen übervollen Kopf haben kann (Mental load). Auch wenn es bis zu dem Tag X stets möglich war, Frauen müssen nicht immer alles gleichzeitig können. Das Umfeld kann auch altersgerecht gewissenhaft Aufgaben übernehmen.
Titelbild: iStock.com/Highwaystarz-Photography
Helen Sange
Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit eigener, bilingualer Praxis und gleichzeitig arbeitet sie in der Zeitarbeit mit doctari
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