Das Spiel Pokemon Go hat Millionen von Menschen auf die Straße gelockt.
iStock.com/Wachiwit
Noch vor einigen Jahren hatten Computerspiele einen eher schlechten Ruf. So hieß es, dass sie übergewichtig, aggressiv und krank machen würden. Eine einseitige Sicht. Heute weiß man: Computerspiele lassen sich sogar einsetzen, um die Gesundheit zu verbessern. Daraus ist in den vergangenen Jahren ein eigenes Genre entstanden: die sogenannten Health Games.
Mit Health Games sind Spiele gemeint, die Spaß machen, gleichzeitig aber auch einen gesundheitlichen Effekt haben. Sie können Therapien, Reha-Maßnahmen oder Prävention unterstützen, indem sie Wissen oder bestimmte Fähigkeiten vermitteln. Der Spaß am Spiel stärkt die Motivation der PatientInnen und hilft ihnen, am Ball zu bleiben.
Studien konnten bereits belegen: Regelmäßiges Computer spielen schult bestimmte Funktionen des Gehirns – darunter Gedächtnis, Koordination oder räumliches Denkvermögen. Das haben etwa Forscher des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung belegt. Eine Erkenntnis, von der zum Beispiel Parkinson-PatientInnen profitieren können, wenn sie neben der Physiotherapie täglich am Computer trainieren – zum Beispiel mit Spielen wie Tetris oder Puzzeln.
Speziell für lungenkranke Kinder und Jugendliche wurde ein Spiel entwickelt, mit dem die Lunge trainiert werden kann. Bei solch schwerwiegenden Krankheiten und den dazugehörigen Spielen spricht man auch von „Serious Games“. Bei dem besagten Spiel für Lungenkranke tragen die Betroffenen vor dem Mund ein Gerät, das über Sensoren mit dem Computer verbunden ist. Über ihren Atem navigieren sie ein U-Boot durch eine Unterwasserwelt.
Aktuell wird das Spiel für Kinder und Jugendliche mit cystischer Fibrose eingesetzt, es könnte aber auch für andere Krankheiten oder auch für Erwachsene adaptiert werden. Ein weiteres „Serious Game“ ist das Online-Spiel „Luftikids“ . Es hilft Kindern, die Asthma haben, mit ihrer Krankheit umzugehen und ihr Wissen rund um die eigene Krankheit zu verbessern.
Gleicher Job, bessere Bedingungen? Werden Sie Vertretungskraft bei doctari, der Nummer 1 für Zeitarbeit in der Medizin.
Für junge KrebspatientInnen wurde das Health Game „Re-Mission “ entwickelt. In einer virtuellen Welt steuern die Kinder Nanoroboter durch ihren Körper und schießen böse Krebszellen ab. Dadurch – das ergab eine Studie der Stanford University – sind sie motivierter, auch im echten Leben an der Therapie aktiv mitzuwirken. Sie wissen mehr über ihre Krankheit und die Vorgänge in ihrem Körper. Das Spiel, das von der amerikanischen HopeLab-Stiftung finanziert wurde, steigert zudem das Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Auch für psychische Krankheiten gibt es Health Games. Die Universität Auckland in Neuseeland entwickelte das Spiel „Sparx “ für Jugendliche, die unter Depressionen leiden. In dem Spiel bewegen sich die NutzerInnen durch eine Fantasy-Welt, in der sie anhand von Rätseln lernen, mit depressiven Gedanken umzugehen oder sich in schwierigen Situationen zu entspannen. Klinische Studien konnten positive Effekte nachweisen.
Nicht nur junge Menschen mögen Computer- oder Videospiele
iStock.com/Pekic
Health Games gibt es auch für Spielekonsolen. Die Konsole namens „Memorebox “ wird bereits in vielen Seniorenheimen eingesetzt und ist als Medizinprodukt zertifiziert. Die Box wird an einen Fernseher angeschlossen, die Spiele über Körperbewegungen gesteuert. So können die älteren Menschen virtuell kegeln, tanzen, Briefe austragen oder Motorrad fahren. Die BewohnerInnen trainieren damit ihr Gedächtnis und ihre körperliche Beweglichkeit. Die Spiele sollen auch dabei helfen, Demenz vorzubeugen oder deren Verlauf zu verlangsamen.
Wissenschaftler der Berliner Humboldt Universität und der Charité haben die Wirksamkeit der Konsolen-Spiele untersucht. Das Ergebnis: Das regelmäßige Spielen steigerte die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit der älteren Menschen. Vor allem Erinnerungsvermögen, Stand- und Gangsicherheit, Motorik und Koordination verbesserten sich.
Computerspiele sind heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Längst sind es nicht mehr nur Jugendliche, die zocken, sondern Menschen aller Bevölkerungsgruppen. Eine Studie des Digitalverbands Bitcom kam zu dem Ergebnis: Fast jeder zweite Deutsche spielt mindestens hin und wieder. Mit Computerspielen lassen sich also Millionen von Menschen in allen Altersgruppen erreichen. Das Potenzial, sie auch für gesundheitliche Zwecke einzusetzen, ist damit groß.
Gesundheitswirtschaft und Politik zeigen in den letzten Jahren immer mehr Interesse an den Health Games – auch weil sie die Gesundheitsbranche, Pflegepersonal und pflegende Angehörige entlasten und unterstützen könnten. PatientInnen könnten sie helfen, Wartezeiten auf Therapeuten-Termine zu überbrücken.
Auch wenn es schon Studien zur Wirksamkeit von einzelnen Health Games gibt, steht die Forschung dazu noch am Anfang. Vieles muss eingehender untersucht und diskutiert werden: Welche medizinische Langzeiteffekte haben die Spiele? Ab wann ist ein solches Spiel ein medizinisches Produkt? Lassen sich dadurch Therapie-Kosten sparen? All das sind Fragen, die wichtig sind, um die Qualität von Health Games zu sichern und zu entscheiden, ob ein Spiel von den Krankenkassen anerkannt und bezahlt wird oder nicht.
Es gibt jedoch auch viele Hürden, die Health Games im Gesundheitswesen zu etablieren. Dazu gehört etwa das Thema Datenschutz. Damit ein Spiel zu einem medizinischen Produkt wird, muss es zudem ähnlich wie ein Medikament einen langwierigen Prozess durchlaufen – das schreckt auch viele Spieleentwickler ab. Dennoch: Mit der fortschreitenden Digitalisierung der Gesellschaft werden auch Health Games noch an Bedeutung gewinnen. Vielleicht werden sie in der Zukunft dann sogar ganz alltäglich: Computerspiele auf Rezept.
Titelbild: iStock.com/Skarie20
Amely Schneider
In Kliniken und Praxen kommt es immer häufiger zu Übergriffen auf medizinisches Personal. Das gilt für Deutschland und für andere europäische Länder.
Zum Artikel >Düstere Aussichten: Viele Ärztinnen und Ärzte fühlen sich überlastet und mehr als ein Viertel denkt sogar ans Aufhören. Das würde wiederum die Situation für die…
Zum Artikel >Mehr Personal für Krankenhäuser: Ein Gutachten sagt ein merkliches Wachstum voraus. Es wird jedoch nicht reichen, um den Fachkräftemangel zu beheben.
Zum Artikel >Das Bundesjustizministerium möchte Rettungskräfte, Ärzte, Politiker und Polizisten besser schützen und passt hierfür das Strafgesetzbuch an.
Zum Artikel >Zum ersten Mal seit Langem blicken die Ärztinnen und Ärzten in Deutschland ein bisschen optimistischer in die Zukunft.
Zum Artikel >Viele AssistenzärztInnen sind unzufrieden: unbezahlte Überstunden, keine Pausen, zu wenig Wertschätzung. Das zeigt eine aktuelle Umfrage.
Zum Artikel >