Ärger am Arbeitsplatz

Mobbing in der Pflege: Wie wehrt man sich gegen Psychoterror?

Eine Pflegerin wird von anderen ausgegrenzt und lehnt sich traurig gegen eine Wand
Amely Schneider | 13.8.2024 | Lesedauer: 6 Minuten

Konflikte mit KollegInnen können die Arbeit im Krankenhaus zur Hölle machen. ExpertInnen empfehlen Pflegekräften, bei Mobbing schnell aktiv zu werden. So geht man am besten vor.

„Mobbing ist Teil des beruflichen Alltags Pflegender“

Kritik ohne Grund, Lästereien hinter dem Rücken, abfällige Bemerkungen. Mobbing am Arbeitsplatz kommt auch in der Pflege vor, obwohl der Pflegeberuf bei allen Fachkräften ein hohes Maß an Mitgefühl voraussetzt. „Ja, auch in der Pflege gibt es Mobbing. Sogar häufig. Ich selbst war schon davon betroffen“, sagt Travel Nurse und Pflegecoach Bianca Kohl. Der Grund dafür könnten die Arbeitsbedingungen sein. „Gerade durch den Personalmangel und die zunehmende Belastung entstehen öfter unschöne Gruppendynamiken.“

So zeigte eine Untersuchung der Sozialwissenschaftlerin Jeannette Drygalla, die im Jahr 2011 rund 1.000 Pflegekräfte an sechs Kliniken in Deutschland befragt hat, dass ein Viertel von ihnen schon einmal Opfer von Mobbing-Attacken geworden war. Etwa die Hälfte der Befragten berichtete zudem, schon mindestens einmal beobachtet zu haben, wie jemand anderes wiederholt schikaniert wurde.

Rund 10 Prozent räumten ein, selbst schon einmal Kollegen oder Kolleginnen gemobbt zu haben. Drygallas Fazit: „Mobbing ist Teil des beruflichen Alltags Pflegender.“ Bianca Kohl ergänzt: „Unzufriedenheit, Stress und kontinuierliche Belastungsgrenzen führen öfter dazu, dass Menschen im Umgang miteinander respektlos werden“.  

Was hilft bei Mobbing? Hier stehen 5 Tipps, was man tun kann

Was hilft bei Mobbing? Hier stehen 5 Tipps, was man tun kann

Was genau ist eigentlich Mobbing?

Von Mobbing spricht man, wenn jemand über einen längeren Zeitraum wiederholt und systematisch schikaniert oder diskriminiert wird. Was dabei genau passiert, kann sehr unterschiedlich sein. Als rechtlich relevante Verhaltensweisen von Mobbing gelten etwa:

  • Herabwürdigungen (die Arbeitsleistung vor anderen lächerlich machen)
  • Diskriminierungen (wegen persönlicher Merkmale eine Arbeit zuweisen)
  • Demütigungen (Witze über Körper, Bekleidung und Aussehen)
  • Schikane (nutzlose Aufgaben zuteilen, Arbeitsmaterial unterschlagen, anschreien, ständig unterbrechen)
  • Belästigungen (häufige verbale, auch sexuelle Anspielungen)
  • Ehrverletzungen (Infragestellen der geistigen Fähigkeiten)
  • Tätlichkeiten (Ohrfeige, festes Zupacken)
  • Willkür (Maßnahmen, denen vergleichbare Mitarbeiter nicht unterworfen sind)
  • Isolierung (Informationsentzug, aus privaten Gesprächen ausschließen)
  • Üble Nachrede (Unwahrheiten und Gerüchten verbreiten, bei Vorgesetzten anschwärzen) 

Mobbing in der Pflege beziehungsweise im Krankenhaus gibt es auf allen Hierarchieebenen, zwischen Vorgesetzen und Mitarbeitenden ebenso wie zwischen gleichgestellten KollegInnen. Über alle Branchen gesehen ist die Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen besonders stark von Mobbing betroffen, berichten ExpertInnen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Demnach liegt das Mobbing-Risiko außerdem bei Frauen höher als bei Männern, ebenso bei Auszubildenden.

Mehrere Pflegefachkräfte führen ein ernstes Gespräch

Der erste Schritt bei Mobbing sollte das persönliche Gespräch sein, notfalls mit neutraler Unterstützung

Was kann man als Opfer gegen Mobbing in der Pflege tun?

ExpertInnen empfehlen, Konflikte am Arbeitsplatz so schnell wie möglich anzusprechen, um zu vermeiden, dass sie weiter anwachsen. Viele Menschen halten es jedoch einfach aus, wenn sie gemobbt werden. Sie haben Angst, dass sie alles noch schlimmer machen, wenn sie aktiv werden oder sich Hilfe suchen. Manche leiden Monate und Jahre unter den Attacken, ohne etwas dagegen zu unternehmen. 

Wer sich als Pflegekraft gemobbt fühlt, sollte zunächst das persönliche Gespräch mit dem Täter oder der Täterin suchen. Besteht Angst vor Bedrohungen oder Übergriffen, kann man auch einen neutralen Kollegen oder ein Mitglied des Betriebs- oder Personalrats mit zum Gespräch dazu bitten.

Wie führt man bei Mobbing ein Konfliktgespräch mit KollegInnen?

Das Gespräch mit dem mobbenden Kollegen oder Kolleginnen sollte möglichst knapp, klar und konstruktiv sein. Zwei wesentliche Punkte sollten im Fokus stehen: Was ist passiert? Was soll sich ab sofort ändern? Es empfiehlt sich, einen kurzen positiven Einstieg zu wählen, dann das, was einen stört, in knappen Worten anzusprechen, dem Gegenüber Zeit zur Stellungnahme zu geben und anschließend einzufordern, das Verhalten in Zukunft zu unterlassen.

Weitere Tipps, die bei Konfliktgesprächen nach Mobbing in der Pflege helfen können:

  1. 1.
    Sachlich und kühl bleiben
  2. 2.
    Sich auf die Darstellung der Fakten beschränken
  3. 3.
    Ich-Botschaften verwenden und Du-Botschaften vermeiden
  4. 4.
    Vorwürfe und Wertungen vermeiden („Sie sind unverschämt! Sie lügen!“)
  5. 5.
    Absolutismus vermeiden („ständig machen Sie“)
  6. 6.
    Konstruktive Formulierungen wählen („Was können wir tun, damit es in Zukunft anders wird?“)

Wenn das Gespräch nichts gegen das Mobbing in der Pflege bringt ...

Hat sich die Situation durch das Gespräch mit dem Mobber oder der Mobberin nicht verbessert, kann man sich an seine Vorgesetzten wenden. Diese sind verpflichtet, etwas gegen Mobbing zu tun, wenn sie den Vorwurf als begründet ansehen. Ein häufiges Problem: Hat der Betroffene keine Beweise, steht sein Wort gegen das des Täters. Gibt es Beweise, hat der Arbeitgeber viele Handlungsmöglichkeiten. Er kann den Mobber außerordentlich kündigen, ihn versetzen, ihn abmahnen, degradieren oder von seinen Führungsaufgaben entheben. Von Mobbing betroffene Pflegekräfte könnten auch in eine andere Abteilung versetzt werden. 

Unverbindliche Infos beim Betriebs- oder Personalrat

Vorgesetzte im Krankenhaus, einer Klinik oder einer Pflegeeinrichtung kehren Mobbing-Fälle jedoch manchmal unter den Teppich, weil sie fürchten, dass sie dadurch selbst als schwache Führungspersönlichkeit dastehen. Hier sollte man sich als betroffene Pflegekraft nicht entmutigen lassen und die Vorfälle bei der nächsthöheren Ebene melden. Das heißt, reagiert die Stationsleitung nicht, dann kann man sich als betroffene Pflegekraft etwa an die Klinikleitung oder die Heimleitung wenden. Reagiert diese nicht, kann man sich an Betriebs- bzw. Personalrat oder einen Mobbing- oder Gleichstellungs-Beauftragten wenden.

Beim Betriebs- oder Personalrat kann man sich im Vorfeld ganz unverbindlich über Handlungsmöglichkeiten informieren und beraten lassen, denn seine Mitglieder sind zur Geheimhaltung verpflichtet. 

Kann man wegen Mobbing in der Pflege vor Gericht gehen? 

Wenn sich innerhalb der Klinik oder einer anderen medizinischen Einrichtung niemand um die Lösung des Konflikts kümmern kann oder will, gibt es außerdem den Weg eines gerichtlichen Verfahrens. Jeder Mobbing-Fall ist individuell und kann auch wegen unterschiedlicher Betriebskontexte nicht pauschal beurteilt werden.

Betroffene sollten sich deshalb über konkrete außergerichtliche und gerichtliche Möglichkeiten bei einem Anwalt, zum Beispiel einem Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht, Rat holen. Es ist zudem ratsam auch jemanden aus dem Betriebsrat oder der Gewerkschaft an seiner Seite zu haben.

Vor Gericht muss der Vorwurf des Mobbings rechtlich bewiesen werden. Das ist bei solchen Konflikten manchmal gar nicht so einfach. Mobbing geschieht in vielen Fällen so subtil, dass es sich schwer belegen lässt. Auch Zeugen sind oft nicht zugegen, wenn sich die Konflikte in persönlichen Gesprächen unter vier Augen abspielen.

Alle Beweise sammeln und Mobbing-Tagebuch führen

Deshalb ist es wichtig, sämtliche nur mögliche Beweise zu sammeln, bevor man vor Gericht zieht. Das können Zeugenaussagen, Schriftverkehr oder schriftliche Anweisungen des Mobbers, E-Mails, Fotos oder ein detailliertes Mobbing-Tagebuch sein, in dem das Opfer alle Vorkommnisse chronologisch dokumentiert hat.

Im Mobbing-Tagebuch sollten möglichst alle Handlungen mit Datum, Uhrzeit, Beteiligten, Reaktionen, Anlässen aufgeführt sein. Wer nachweisen will, dass er wegen Mobbing erkrankt ist, benötigt eine ärztliche Bestätigung. Wichtig ist aber auch: Lässt sich das Problem nicht lösen und leidet man gesundheitlich unter dem Psychoterror, ist es auf lange Sicht besser, sich nach einer anderen Stelle umzusehen. 

Was können Kliniken präventiv gegen Mobbing tun?

Pflegekräfte stehen oft unter Druck, klagen über große emotionale Belastung und mangelhafte Arbeitsorganisation. All das sind Umstände, unter denen besonders häufig über Mobbing-Vorfälle berichtet wird. Denn Mobbing kann ein Ventil für Stress sein. Der eigene Frust wird an einem Kollegen oder einer Kollegin ausgelassen.

Bei Mobbing-Vorfällen sollten deshalb die Strukturen des gesamten Teams betrachtet werden. Werden Konflikte nur im Vorbeigehen und tagesbezogen besprochen, wird es eher begünstigt. Der Führungsstil von Vorgesetzten spielt eine große Rolle. Gute Pflegekräfte sind jedoch nicht automatisch auch kompetente Führungskräfte. Konfliktmanagement muss manchmal erst erlernt werden. Es sollte deshalb in der Ausbildung und Weiterbildung von Führungskräften in Kliniken berücksichtigt werden.

Titelbild: iStock.com/PeopleImages

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Amely Schneider

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