Richtige Anrede

Duzen oder Siezen: Wie spricht man PatientInnen am besten an?

Altenpflegerin hilft älterer Dame beim Anziehen.
Amely Schneider | 20.2.2023 | Lesedauer: 4 Minuten

Eher das höfliche „Sie“ oder das freundliche „Du“? Darüber gibt es auch unter Pflegekräften immer wieder Diskussionen. Beide Formen haben Vor- und Nachteile.

In vielen Berufsfeldern ist es mittlerweile normal: das Du. In Firmen gehört es oft zur Unternehmenskultur. Das Möbelhaus duzt seine KundInnen. Die Nachrichtenmoderatorin ihre KorrespondentInnen. Der Kellner seine Gäste. Die Zeiten, in denen das Duzen ganz eindeutig nur in den privaten Bereich gehörte, sind vorbei.

Doch wie ist das im medizinischen und pflegerischen Bereich? Darf man PatientInnen in Krankenhäusern oder BewohnerInnen von Pflegeheimen duzen, oder nicht? Das ist eine Frage, an der sich die Geister scheiden. In Internetforen, in denen Pflegekräfte über ihren Alltag diskutieren, ist die Antwort darauf sehr umstritten, denn beide Anredeformen haben ihre Vor- und Nachteile.

Siezen im medizinischen Bereich schafft Professionalität

Medizinisches Personal in der Pflege hat einerseits täglich mit sehr intimen und privaten Situationen von Menschen zu tun. Die Fachkräfte sind zugegen, wenn diese großes Leid erleben, Schmerzen und Ängste haben. Sie trösten, hören zu, sprechen mit ihnen über Fragen von Leben und Tod.

Andererseits sind sie weder Freunde noch Familienangehörige. Sie bleiben professionelle HelferInnen auf Zeit. Viele empfinden deshalb das „Sie“ als die für diese Rolle angemessene Anredeform. Es zeigt an, dass es nicht um ein freundschaftliches Verhältnis geht, das mit bestimmten Erwartungen verbunden ist, sondern um eine professionelle Beziehung, die ihre Grenzen hat. Vor allem im Umgang mit schwierigen Angehörigen ist das „Sie“ sehr wichtig.

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Förmliche Anrede in der Pflege für Würde und Respekt

Zudem ist das Siezen Ausdruck von Respekt. Vielen Menschen ist es sehr unangenehm, wenn ihnen jemand beim Ausziehen, Waschen oder beim Toilettengang hilft. Ihnen kann die förmliche Sprache in solchen Situationen ein Gefühl von Würde vermitteln. Gerade ältere Menschen, die noch viel förmlichere Zeiten miterlebt haben, empfinden es möglicherweise als übergriffig, wenn sie jemand viel Jüngeres einfach duzt.

Auch viele Pflegekräfte wollen von PatientInnen und deren Angehörigen lieber mit „Sie“ und dem Nachnamen angesprochen werden – auch deshalb, weil ihrem Beruf oft zu wenig Wertschätzung entgegengebracht wurde und immer noch wird. Duzen kann das Gefühl von mangelnder Wertschätzung gerade in konfliktreichen Situationen im Alltag verstärken.

Duz-Angebote von PatientInnen über Netiquette zurückweisen

In vielen Krankenhäusern und Pflegeheimen gibt es deshalb eine generelle Regel, die besagt, dass alle sich siezen sollen. Das hat den Vorteil, dass Pflegekräfte Duz-Angebote von PatientInnen mit dem Verweis auf die Klinik- oder Heim-Netiquette zurückweisen können. PatientInnen fühlen sich dann nicht persönlich oder aus Sympathiegründen abgelehnt.

Denn wenn PatientInnen oder BewohnerInnen unterschiedlich angesprochen werden, kann das auch zu Unstimmigkeiten führen und manche oder mancher fühlt sich benachteiligt. Mag die Pflegekraft die andere Person lieber als mich? Schließlich duzen sich die beiden. Muss ich mir das Du erst verdienen? Habe ich dadurch Privilegien?

Andere Fachkräfte finden, dass das Duzen in der Pflege eine durchaus professionelle Maßnahme sein kann, um Vertrauen herzustellen und den Pflegealltag zu erleichtern. Es ist persönlicher, kann Hierarchien entgegenwirken und stärkt das Gefühl von Zusammengehörigkeit. Manche Menschen erreicht man besser, wenn man sie duzt.

In der Pflege kommt man sich zwangsläufig sehr nahe

„Du“ in der Pflege vermittelt Gefühl von Nähe

Gerade in der Langzeitpflege verbringen BewohnerInnen und Pflegekräfte viel Zeit miteinander. So lernt man sich ganz automatisch näher kennen. Im besten Fall ist ein Pflegeheim für die BewohnerInnen ein Ort, an dem sie sich fast wie zu Hause fühlen. Da kann sich ein „Du“ durchaus richtig anfühlen. Soll man der alten Dame, die von allen „Oma Erna“ genannt werden will, diesen Wunsch verweigern? Was, wenn der demente Bewohner nur auf seinen Vornamen reagiert? Und wie spricht man im Krankenhaus besonders junge PatientInnen an, die es vielleicht komisch und viel zu steif finden, gesiezt zu werden?

Klares Tabu: Jemand duzen, ohne ihn zu fragen

Manche Krankenhäusern oder Pflegeheimen überlassen es den PatientInnen und dem Pflegepersonal, wie sie miteinander sprechen wollen. Oder sie lassen im Einzelfall und nach Rücksprache mit dem Team Ausnahmen zu, wenn alle Seiten damit einverstanden sind. Jemanden zu duzen, ohne ihn vorher zu fragen, ist dagegen ein klares Tabu.

Letztendlich sollte man jedoch auch nicht vergessen: Sprache spielt bei der Kommunikation im Pflegealltag eine wichtige Rolle. So kann man jemand Siezen und sich trotzdem respektlos verhalten. Ein menschlicher Umgang miteinander offenbart sich nicht nur in der Anredeform, sondern zeigt sich in vielem mehr: der inneren Haltung, dem Einfühlungsvermögen, dem Tonfall, in dem man spricht – das gilt egal, ob man siezt oder duzt.

Titelbild: iStock.com/sturti

Autor

Amely Schneider

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