Das Coronavirus macht einen Unterschied zwischen Mann und Frau.
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Auch bei anderen Krankheiten lassen sich Unterschiede beobachten: Frauen haben eher Autoimmun- und Darmerkrankungen. Nach den Wechseljahren ist ihr Risiko für Knochenschwund (Osteoporose) höher als bei Männern. Der Geschlechterunterschied spielt auch bei Diabetes oder Krebs eine Rolle. Und nach wie vor sterben Frauen öfter an Herzinfarkten, obwohl Männer häufiger davon betroffen sind.
Der weibliche Körper funktioniert anders als der männliche. Die unterschiedlichen Geschlechtshormone beeinflussen Abläufe im Körper auf verschiedene Art und Weise. Auch Anatomie, Körpergröße, sowie Verhältnis von Muskelmasse und Fettgehalt sind unterschiedlich. All das kann Folgen für die Wirksamkeit von Medikamenten haben.
Lange war es jedoch üblich, dass medizinische Studien fast ausschließlich an Männern vorgenommen wurden. Studien an Männern sind einfacher und produzieren weniger Kosten. Denn: Sie können nicht schwanger werden und zeigen nicht solch starke Hormonschwankungen wie Frauen.
Die Ergebnisse, die mit männlichen Probanden gewonnen wurden, wurden einfach auf weibliche Patientinnen übertragen. Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten werden für Frauen dadurch jedoch nicht ausreichend belegt. Möglicherweise wird ihnen dadurch eine nicht angemessene Dosierung empfohlen und sie leiden eher an Nebenwirkungen.
Nach wie vor sind Frauen in vielen medizinischen Studien unterrepräsentiert – wie zum Beispiel Untersuchungen zur Entwicklung von Impfstoffen und Therapien gegen Covid-19 zeigen. Damit die Zahl der Frauen in Medikamenten-Tests steigt, gibt es international zunehmend Initiativen und Leitlinien. Auch die Europäische Union wollte etwas gegen diesen Missstand tun. Seit 2022 werden in Anträgen zur klinischen Überprüfung von Arzneimitteln auch Angaben zur Geschlechtsverteilung eingefordert. Ist ein Geschlecht unterrepräsentiert, soll das begründet werden.
Im Medizinstudium werden die Unterschiede der Geschlechter bislang kaum berücksichtigt.
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Auch die Deutsche Gesellschaft für geschlechtsspezifische Medizin berichtet, dass es bereits Schritte in die richtige Richtung gebe. So rufe die Forschungsförderung in ihren Ausschreibungen verstärkt dazu auf, Geschlechterunterschiede zu beachten. Bis das Thema in allen Arztpraxen angekommen ist, wird es wohl noch dauern. Viele angehende MedizinerInnen hören in ihrem Studium bisher wenig bis gar nichts zum Thema geschlechtssensible Medizin. Nur an an paar deutschen Universitäten gibt es Lehrveranstaltungen, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen.
Der Deutsche Ärztinnenbund fordert ein eigenes Fach „Gendermedizin“. In Deutschland gibt es außerdem bisher nur zwei Institute, die sich speziell mit geschlechtersensibler Medizin befassen – an der Berliner Charité und an der Universität Bielefeld.
Von einer geschlechterspezifischen Medizin profitieren Männer genauso wie Frauen. Das zeigt sich zum Beispiel beim Thema psychische Krankheiten. Bei Frauen werden mehr Depressionen diagnostiziert, aber Männer sterben häufiger durch Suizide .
Hier ist auch der Aspekt des unterschiedlichen Kommunikationsverhaltens etwa im Rahmen des Arzt-Patienten-Gesprächs wichtig. Oft fällt es Männern schwerer, über die Symptome einer Depression zu sprechen oder überhaupt deswegen zu einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin zu gehen. Oder die Depression äußert sich in Form von psychosomatischen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Magen-Darm-Leiden oder Kopfschmerz.
Geschlechterunterschiede zeigen sich auch darin, dass Frauen ein anderes Gesundheitsbewusstsein haben als Männer. Das kann sich auf das Risiko auswirken, bestimmte Krankheiten zu bekommen. Frauen gehen eher zur Vorsorge und Früherkennungsuntersuchung. Sie ernähren sich bewusster, während Männer öfter übergewichtig sind. All das sind wichtige Faktoren, wenn es um Präventionsprogramme geht. Darüber hinaus kann es auch eine Rolle spielen, ob PatientInnen auf einen Arzt oder einer Ärztin treffen. So zeigt eine Studie: Werden Herzpatientinnen von einer Frau behandelt, habe sie größere Überlebenschancen.
Auch die Mehrheit der Deutschen wünscht sich, dass das Geschlecht beim Arztbesuch eine größere Rolle spielt. Laut einer Umfrage der Krankenkasse Pronova BKK waren acht von zehn der 1.000 Befragten davon überzeugt, dass Krankheitssymptome geschlechterspezifisch sein können. Gleichzeitig sagten 67 Prozent, dass sie dazu von ÄrztInnen noch nie Informationen erhalten hätten. 87 Prozent meinten außerdem, dass die Pharmaindustrie in Packungsbeilagen von Medikamenten stärker auf die Unterschiede bei der Verwendung durch Männer und Frauen hinweisen sollte.
Das Bundesgesundheitsministerium fördert derzeit mit rund 4,1 Millionen Euro zwölf Projekte zu „Genderspezifischen Besonderheiten in der Gesundheitsversorgung, Prävention und Gesundheitsförderung“. Bis all das in der Praxis ankommt, wird es wohl noch dauern.
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Amely Schneider
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