Raus aus der Klinik, rein ins Labor

Forschung als Alternative zum Arztberuf

Ein Arzt blickt durch ein Mikroskop.
doctari Redaktion | 24.8.2022 | Lesedauer: 8 Minuten

Ärzte und Ärztinnen sind auch als Forschende gefragt. Lohnt sich der Wechsel von der Klinik ins Labor? Ein Überblick zu allen Möglichkeiten, Vorteilen und Nachteilen.

Überblick: Als Arzt oder Ärztin in der Forschung arbeiten

Ohne Forschung keine moderne Medizin: Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass eine AIDS-Erkrankung nach einer HIV-Infektion durch antivirale Therapien fast vollständig verhindert werden kann? Durch Forschung wächst das medizinische Wissen stetig. Dies führt dazu, dass neue Therapien und Medikamente entwickelt werden können. Außerdem zielt die Forschung darauf ab, Diagnostik und gängige Techniken und Methoden in Laboren zu verbessern.

Meist wird die medizinische und naturwissenschaftliche Forschung von BiologInnen, MolekularmedizinerInnen und ChemikerInnen geplant und durchgeführt. Doch auch für Ärzte und Ärztinnen kann die Forschung ein spannendes und attraktives Berufsfeld sein, bei dem sie den Krankheiten auf den Grund gehen können, mit denen sie täglich konfrontiert sind. Außerdem werden Ärztinnen und Ärzte in der Forschung gebraucht, da sie theoretisches Wissen mit praktischem Know-How verbinden können.

Erste Erfahrungen in der Forschung sammeln manche ÄrztInnen bereits während ihrer Arbeit an einer experimentellen Doktorarbeit. Aber auch ein späterer Einstieg in den Bereich Forschung ist für MedizinerInnen möglich. Vor allem für Fachärzte und -ärztinnen kann die klinische Forschung eine interessante Alternative zum Arztberuf sein, da sie sich während der Weiterbildung bereits auf eine Krankheit oder einen Fachbereich spezialisiert haben und wissen, wo Forschungsbedarf besteht.

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Was ist Forschung? Eine Definition

Der Begriff ‚Forschung’ bezeichnet das Suchen nach neuen Erkenntnissen. Zum systematischen Vorgehen gehört dabei auch, das Vorgehen während der Forschung zu dokumentieren und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Grundsätzlich wird Forschung in zwei Hauptkategorien unterteilt: die Grundlagenforschung und die angewandte (oder klinische) Forschung.

  • In der Grundlagenforschung geht es darum, ungeklärte Fragestellungen zu beantworten, welche nicht unter einem direkten Anwendungsbezug stehen. Sie liefert die Basis für weitere Untersuchungen und dient primär der Erweiterung des Wissens.
  • Die klinische Forschung ist Teil der angewandten Forschung und zielt darauf, Therapieverfahren unter definierten Rahmenbedingungen experimentell zu prüfen. Mit Hilfe von klinischen Studien wird dabei die Wirksamkeit bzw. Effektivität eines Therapieverfahrens untersucht.

Wer bezahlt für medizinische Forschung?

In Deutschland wird Forschung im Allgemeinen nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu gut zwei Dritteln von der Industrie finanziert. Die restlichen Gelder stammen vom Staat oder von der Wissenschaft, also von Hochschulen und Akademien. Ein großer Teil der Fördergelder in der Medizin wird für Geräte und Materialien ausgegeben, die für Experimente benötigt werden. Weitere Ausgaben entfallen auf Gehälter und Stipendien, Versuchstierhaltung und internationale Kongresse.

Als Arzt oder Ärztin in der Forschung: Tätigkeitsbereiche

Klinische Forschung

Die meisten Ärztinnen und Ärzte, die sich der Forschung zuwenden, betreiben klinische Forschung. Dabei geht es vor allem darum, zu erforschen, wie bei einer bestimmten Krankheit oder bei bestimmen Symptomen geholfen werden kann. Klinische Forschung umfasst meist Studien mit experimentellen Therapien oder Medikamentenstudien. Dabei werden Wirkstoffe an Gewebe oder direkt an Probanden getestet und evaluiert. Häufig findet klinische Forschung direkt in oder in enger Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Pharmafirmen statt.

Manche ÄrztInnen entscheiden sich dazu, parallel zu ihrem Alltag im Krankenhaus oder in einer Praxis eine kleine Forschungsgruppe zu betreiben. Als Facharzt oder Fachärztin mit Erfahrungen im Labor kann man sich für Fördergelder bewerben und so das nötige Equipment kaufen. Ein solches Szenario bedeutet jedoch für die MedizinerInnen, dass ihre ohnehin schon knapp bemessene Freizeit durch das Forschungsprojekt meist noch knapper wird.

Clinician-Scientist-Programme

Eine weitere Möglichkeit für Ärztinnen und Ärzte während der Facharztausbildung Erfahrungen in der Forschung zu sammeln, sind Clinician-Scientist-Programme. Ziel dieser ist es, klinisch tätigen ÄrztInnen ein strukturiertes Ausbildungs- und Freistellungsprogramm zur Verfügung zu stellen. So besteht keine Gefahr, dass die Forschung ganz oder überwiegend in der Freizeit stattfinden muss.

Bei Clinician-Scientist-Programmen wird etwa 50 Prozent der Gesamtarbeitszeit für wissenschaftliches Arbeiten verwendet. Die finanzielle und ideelle Förderung der angehenden Clinician Scientists wird dabei meist so strukturiert, dass sich die TeilnhemerIinnen untereinander sowie mit MentorInnen oder NaturwissenschaftlerInnen austauschen können.

Grundlagenforschung

Wer als Ärztin oder Arzt bereit ist, den Klinikalltag und den Patientenkontakt aufzugeben, kann sich der Forschung widmen und eine akademische Laufbahn an einer Universität oder an Forschungsinstituten einschlagen. Dort sind ÄrztInnen häufig als Gruppenleiter von Forschungsgruppen tätig und betreiben in der Regel Grundlagenforschung. Das bedeutet, die molekularen Ursachen und Vorgänge von Krankheiten werden hinterfragt und identifiziert.

Ein solche akademische Karriere beginnt mit der Promotion. Im Anschluss folgt die Bewerbung für eine Postdoc-Stelle, um Erfahrungen im Forschungsalltag zu sammeln. Danach können ÄrztInnen eine Professur anstreben und gegebenenfalls eine Stelle als Institutsleitung übernehmen.

Auch unabhängige Institute, wie etwa die Max-Planck- oder die Helmholtz-Institute, bieten Chancen für Mediziner und Medizinerinnen. An solchen Instituten wird sowohl medizinische Grundlagenforschung als auch klinische Forschung betrieben.

Mit einer Promotion (experimentelle Doktorarbeit) können sich ÄrztInnen für sogenannte Fellowships bewerben und eine eigene Forschungsgruppe gründen. Fellowships sind große Stipendien, die die Gründung eines neuen Labors finanzieren. Diese sind allerdings begehrt und die Umsetzung einer eigenen Forschungsgruppe erfordert viel Erfahrung

Forschung in der Pharmaindustrie und freien Wirtschaft

Viele Ärztinnen und Ärzte entscheiden sich für eine Karriere in der freien Wirtschaft. Dabei können sie auch in Forschungsabteilungen von Pharmafirmen tätig werden. Einen Überblick über die Pharmaindustrie als Alternative zum Arztberuf finden Sie hier.

Welche beruflichen Alternativen für Ärzte und Ärztinnen es sonst noch gibt, lesen Sie hier.

Eine Hand in Großaufnahme befüllt mit einer Pipette mehrere Reagenzgläser.

Der Ursache auf der Spur

Gehalt als Arzt oder Ärztin in der Forschung

Als Facharzt oder Fachärztin für Laboratoriumsmedizin verdient man in der Regel genauso viel wie andere festangestellte MedizinerInnen, die nach den ärztlichen Tarifverträgen bezahlt werden. An einer Universitätsklinik etwa startet das Gehalt eines Facharztes, einer Fachärztin bei rund 6.500 Euro brutto pro Monat.

MedizinerInnen, die klinische Forschung parallel zur Arbeit im Krankenhaus betreiben, haben davon in der Regel keinen finanziellen Vorteil. Das Gehalt von angestellten FachärztInnen oder OberärztInnen richtet sich in Krankenhäusern und Universitätskliniken nach dem jeweiligen Karrierelevel und Tarifvertrag. Die Forschungsarbeit außerhalb der klinischen Tätigkeit muss finanziert werden. Hierfür gibt es Fördermittel vom Staat, für die man sich als Ärztin oder Arzt bewerben kann und so eventuell zusätzliche Einnahmen generieren kann.

Bei WissenschaftlerInnen ohne klinische Tätigkeit orientiert sich das Gehalt an dem Arbeitgeber. Wer als wissenschaftliche/r MitarbeiterIn an einer Universität forscht, verdient nach Angaben des Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit rund 5.000 Euro im Monat (Median-Wert).

Als Arzt oder Ärztin in der freien Wirtschaft kann man wesentlich mehr verdienen. Auch die Forschungstätigkeit wird dort meist besser bezahlt als an öffentlichen Einrichtungen. Da es in der Industrie keine Bindung an Tarife gibt, sind die Gehälter nach oben unbegrenzt.

Publizieren – Das Wichtigste als Ärztin oder Arzt in der Forschung

Wie bereits in der Definition erwähnt, gehört zur Forschung auch die Dokumentation und die Veröffentlichung von Ergebnissen. Dessen sollte sich jede Ärztin und jeder Arzt bewusst sein, bevor er oder sie in die Forschung wechselt. Die Finanzierung von Forschungsprojekten und die Zusammenarbeit mit Pharmafirmen und anderen internationalen Forschungslabors hängt unter anderem davon ab, wie und in welchen Fachjournalen Ergebnisse veröffentlicht werden. Dabei gilt: Nur wer neue Erkenntnisse als Erstes publiziert, erntet die Anerkennung dafür.

Publizieren im Allgemeinen, vor allem aber in renommierten Journalen, erfordert Geduld, Kontakte und interessante Ergebnisse. Häufig dauert es Monate, bis die eigenen Daten veröffentlicht sind.

Hinzu kommt, dass ÄrztInnen in der Forschung damit rechnen müssen, dass Veröffentlichungen von KollegInnen darauf abzielen, die eigenen Ergebnisse zu widerlegen. Als ForscherInnen müssen Ärzte und Ärztinnen demnach akzeptieren, dass andere WissenschaftlerInnen andere Theorien verfolgen.

Ältere Ärztin arbeitet nachts in einem Labor.

Im Labor sind Nachtschichten nicht üblich, dennoch können lange Arbeitszeiten nötig sein, um ein Experiment durchzuführen.

Für wen ist das Arbeiten in der Forschung eine Alternative zum Arztberuf?

Das Arbeiten in der Forschung ist vor allem für wissbegierige Medizinerinnen und Mediziner das Richtige. Wer etwas bewirken und vorantreiben möchte oder Krankheiten besser verstehen will, ist im Labor gut aufgehoben. Zudem sind vor allem Ärztinnen und Ärzte, die keinen Patientenkontakt möchten, im Labor oder an einer Universität gut aufgehoben.

Andererseits muss nicht jeder, der sich für Forschung interessiert, den Klinikalltag verlassen. Facharzttitel können zum Beispiel auch in theoretischen Fächern wie Mikrobiologie, Humangenetik, Physiologie und Biochemie erworben werden. Wer parallel zum Klinikalltag forschen möchte, der muss sich allerdings auf lange Arbeitszeiten und entsprechend wenig Freizeit einstellen.

Vollzeit-Forscher und Vollzeit-Forscherin

Anders sieht es bei Vollzeitforschern und Vollzeitforscherinnen aus. Die Arbeitszeiten sind dann geregelter, da Schichtdienst und Feiertagsarbeit wegfallen. Die flexible Zeiteinteilung verbessert die Work-Life-Balance und gehört zu den größten Vorteilen des Forscherdaseins. Man ist selbst für den Fortschritt der Arbeit verantwortlich, muss aber dementsprechend viel Eigeninitiative aufbringen. Wer als Arzt oder Ärztin in die Forschung möchte, muss fähig sein, sehr selbstständig zu arbeiten.

Obwohl starre Schichten sowie Nacht- und Wochenenddienste wegfallen, sind die Arbeitszeiten als Arzt in der Forschung oft länger als 8 Stunden pro Tag. Häufig bestimmen Experimente, Zellkulturen oder die Verfügbarkeit von Geräten die Arbeitsdauer. Zudem ist die Arbeit als Forscherin oder Forscher langwierig – es dauert, bis man die ersten aussagekräftigen Ergebnisse hat. Wer als Ärztin oder Arzt in die Forschung möchte, muss geduldig sein, den Wettbewerb lieben und vor allem mit Misserfolgen klarkommen.

Außerdem brauchen ForscherInnen eine hohe Frustrationstoleranz und ein gewisses Maß an Kreativität. Experimente laufen fast nie so wie ursprünglich geplant und man muss sehr flexibel sein. Wenn man als Arzt oder Ärztin in die Forschung gehen möchte, sollte man außerdem ein gesundes Selbstbewusstsein und vor allem viel Begeisterung für den Forschungsbereich mitbringen.

Vorteile als Arzt in der Forschung (Vollzeit)

  • Flexible Arbeitszeiten
  • Kein starrer Schichtdienst
  • Geregelter Urlaub
  • Flexiblere Freizeitgestaltung
  • Familienfreundlich
  • Mitwirken am medizinischen Fortschritt
  • Internationale Kollaborationen
  • Unabhängiges und selbstständiges Arbeiten
  • Kreativität am Arbeitsplatz

Nachteile als Arzt in der Forschung

  • Extremer Konkurrenzkampf
  • Mentale Belastung durch Rückschläge
  • Bei Forschung parallel zum Arztberuf: Doppelbelastung und noch weniger Freizeit
  • Sehr lange Arbeitszeiten
  • Idealismus, aufgrund dessen man Arzt oder Ärztin wurde, könnte fehlen
  • Forschung ist ein langwieriger Prozess, ergo: keine schnellen Erfolge
  • Kein Erfolg ohne gute Publikationen
  • Abhängigkeit von finanzieller Unterstützung Dritter

Alternative: Vertretungsarzt oder -ärztin werden

Viele Ärztinnen und Ärzte lieben ihren Beruf, sind jedoch unzufrieden mit den Rahmenbedingungen im Krankenhaus oder einer anderen medizinischen Einrichtung. Wie eine aktuelle Umfrage des Marburger Bundes zeigt, erwägt ein Viertel aller MedizinerInnen, den Arztberuf aufzugeben und einen alternativen Karriereweg zu gehen. Wer allein aufgrund der ungeregelten Arbeitszeit, der Bezahlung oder der schlechten Work-Life-Balance die Arbeit im Krankenhaus aufgeben möchte, sollte über eine Karriere als Vertretungsarzt oder -ärztin nachdenken. Sie ermöglicht es, weiterhin als Arzt oder Ärztin tätig zu sein und das bei deutlich besseren Bedingungen.

Glücklich Arzt sein

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Titelbild: iStock.com/sanjeri

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