Tipps für Arzt-Patienten-Gespräche

Die Sprache des Patienten als Schlüssel zum Erfolg

Eine dunkelhaarige Ärztin im Gespräch mit einer Patientin.
doctari Redaktion | 30.9.2022 | Lesedauer: 6 Minuten

Bei der Kommunikation zwischen Arzt und Patient geht es nicht nur um Informationsaustausch, sondern auch um Zuwendung und Empathie.

Das Arzt-Patienten-Gespräch: Der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung

Es gibt zwei offensichtliche Ziele beim Gespräch zwischen Arzt und Patient: Zum einen möchte der Mediziner so viel Informationen wie möglich über den Gesundheitszustand des Patienten erhalten. Zum anderen muss der oder die Betroffene die Diagnose und damit einhergehende Folgen verstehen.

Auf der Metaebene hat ein ärztliches Gespräch zwei weitere Ziele: Der Austausch mit dem Arzt bedeutet für Kranke Zuwendung, was im Rahmen des Placebo-Effekts den Heilungsprozess begünstigt. Das zeigte etwa eine Studie des US-amerikanischen Mediziners Bruce Moseley, bei der vorgetäuschte Knie-Operationen den gleichen Effekt hatten wie tatsächlich durchgeführte OPs.

Darüber hinaus geht es beim Arzt-Patienten-Gespräch um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Hat der Patient oder die Patientin Vertrauen in den behandelnden Arzt, führt dies dazu, dass er oder sie Informationen preisgibt, die für die Diagnose entscheidend sein können. Die Bedeutung der ärztlichen Gesprächsführung spiegelt sich auch darin wider, dass sie Teil der Approbationsordnung sowie der ärztlichen Prüfung ist. Im ärztlichen Alltag bleibt jedoch häufig nicht genug Zeit für ausführliche Gespräche mit Lehrbuch-Charakter. Umso wichtiger ist eine klare und dennoch empathische Gesprächsführung. Sie verhindert Missverständnisse und stärkt das Vertrauen des Patienten in den Arzt.

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Neues Gespräch, neue Situation

Gelernte Kommunikationstechniken und Gesprächsstrategien aus dem Medizinstudium treffen im Klinikalltag auf teilweise unberechenbare Praxis. Sowohl die Beschwerden als auch die jeweiligen Charaktere der Gesprächsteilenehmer sind jeweils völlig verschieden und der Verlauf des Gesprächs ist nicht vorhersehbar. Äußere Umstände beeinflussen zudem die Kommunikation und deren Verlauf massiv, wie etwa der Anlass des Gesprächs, die Rahmenbedingungen und die Verfassung der Gesprächsteilnehmer.

Faktoren, die ärztliche Gespräche beeinflussen sind:

  • Der Anlass: Eine Anamnese verläuft anders als ein Diagnose- oder ein Aufklärungsgespräch.
  • Der Ort des Gesprächs: In einer Klink herrschen andere zeitliche, räumliche und personelle Rahmenbedingungen als in einer Praxis.
  • Die Verfassung: Patienten sind seelisch und körperlich verschieden stark belastet, aber auch unterschiedlich selbstbewusst und vorgebildet oder von Internet-Recherchen beeinflusst.
  • Zeitlicher Druck: Im Klinik- und Praxisalltag wirken sich häufig Stress und Zeitnot auf den Verlauf des Arzt-Patienten-Gesprächs aus.
  • Empathie: Eine entscheidende Rolle für den Verlauf des Gesprächs hat das Einfühlungsvermögen und das kommunikative Geschick des Arztes.
Zwei Hände einer jungen Frau halten die Hand einer Seniorin.

Oft geht es im Gespräch zwischen Arzt und Patient auch um Zuwendung.

Ein Gespräch auf Augenhöhe schafft Vertrauen

Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und Patient baut sich schon in den ersten Minuten auf. Hier hilft eine positive Atmosphäre sowie eine offene und direkte Ansprache. Wichtig ist zudem ein stets wertschätzender und respektvoller Umgang. Was selbstverständlich klingt, kann im stressigen Klinik- oder Praxisalltag verlorengehen, ist aber immens wichtig für das Vertrauensverhältnis.

Das Vertrauen in den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin hat einen hohen Einfluss auf die Therapietreue und somit auch für den Behandlungserfolg. Ein Perspektivwechsel vor jedem Patientengespräch hilft, sich als Arzt oder Ärztin der Ausnahmesituation des Patienten bewusst zu werden.

Aktives Zuhören im Patientengespräch

Bei jedem ärztlichen Gespräch hat zunächst der Patient das Wort. Die Schilderung der oder des Betroffenen sollte ohne Unterbrechungen oder Ablenkungen stattfinden. Der Arzt hört in an dieser Stelle aufmerksam und aktiv zu inklusive Blickkontakt. All das erhöht die Chance darauf, dass der Patient relevante Informationen preisgibt, die über die bloßen Symptome hinausgehen, also etwa schwierige Lebensumstände oder psychische Belastungen.

Zum aktiven Zuhören gehören neben bestätigenden Kommentaren auch Rückfragen. Hat der Patient alles verstanden? Fassen Sie wichtige Äußerungen zusammen und wiederholen sie in anderen Worten. Steuern Sie das Gespräch, indem Sie offen formulierte Fragen stellen wie zum Beispiel: „Woran lag das?“ oder „Was passierte dann?“. Bei unklaren Schilderungen haken Sie am besten nach.

Grafische Darstellung zweier Gehirne: in einem herrscht Ordnung, im anderen Chaos.

Nicht immer kommt das Gesagte auch so an, wie es gemeint war. Fragen Sie deshalb, ob Ihr Gegenüber alles verstanden hat.

Die Sprache der PatientInnen

Eine Diagnose sollte offen und ehrlich übermittelt werden. Lassen die ärztlichen Formulierungen Spielraum für Interpretationen, kann das die PatientInnen verunsichern. Anschließend kann das weitere Vorgehen gemeinsam mit dem Patienten besprochen werden. Das gibt Orientierung und bietet Sicherheit. Meist bleibt Spielraum, um die nächsten Schritte mit dem Betroffenen abzustimmen.

Viele ÄrztInnen vergessen mit Blick auf ihren vollen Terminkalender, dass sie mit einem Laien sprechen, der über einen ganz anderen Wissensstand verfügt als der Mediziner. Hier hilft eine kurze Reflexion und anschließend eine möglichst verständliche, klare und einfache Sprache. Vermeiden Sie Fachbegriffe, die im Zweifel Ängste produzieren. Nutzen Sie, wenn möglich, Metaphern und Bilder, um dem Patienten schwierige Sachverhalte zu erläutern.

"Der alte Arzt spricht Lateinisch, der junge Arzt spricht Englisch. Der gute Arzt spricht die Sprache des Patienten."

Prof. Ursula Lehr, ehem. Bundesgesundheitsministerin

Rückfragen und Wiederholung

Für die Therapietreue ist es wichtig, dass der Patient die Diagnose verstanden und akzeptiert hat. Fassen Sie deshalb am Ende des Gesprächs das Wichtigste zusammen und stellen Sie gezielte Rückfragen: „Was haben Sie verstanden?“. W-Fragen zwingen den Patienten zur ausführlichen Antwort. Die Frage „Haben Sie alles verstanden?“ kann hingegen mit einem Kopfnicken beantwortet werden, selbst wenn der Betroffene nicht alles verstanden hat.

Zeitdruck in der Arzt-Patienten-Kommunikation

Mangelnde Zeit gilt als häufigste Ursache für eine schlechte Arzt-Patient-Kommunikation. Das liegt meist daran, dass der Patient sich von einem gehetzten Arzt nicht ernst genommen fühlt, wichtige Informationen in seiner Schilderung weglässt und sich noch dazu schlecht beraten fühlt. Auf der anderen Seite kann eine zu knappe Formulierung seitens des Arztes dazu führen, dass der Betroffene nicht alles verstanden hat und unsicher zurück bleibt.

Doch wo keine Zeit ist, kann sich kein Arzt und keine Ärztin mehr Zeit nehmen. Der nächste Patient oder gar ein gerade eingetroffener Notfall warten bereits. Dennoch gibt es Möglichkeiten, um Missverständnisse und die Problematik des Zeitdrucks zu reduzieren. Erfahrene MedizinerInnen bestätigen, dass die Dauer des Gesprächs weniger wichtiger ist als die Gesprächsqualität. Ein effektives und als positiv bewertetes Gespräch entsteht durch Empathie und Achtsamkeit sowie klar formulierte Inhalte, egal ob es fünf oder 20 Minuten dauert.

Ärztin zeigt einer Patientin die Ergebnisse einer Untersuchung.

Denken Sie daran: Ihre Patienten haben einen völlig anderen Wissensstand als Sie.

Als Arzt schlechte Nachrichten überbringen

Dass Zeit nicht das Wichtigste beim Arztgespräch ist, beweisen Diagnosegespräche, in denen der Mediziner schlechte Nachrichten überbringen muss. In der Regel sind PatientInnen nach einer infausten Prognose, also einer sehr ungünstigen Vorhersage ohne Aussicht auf Heilung, gar nicht mehr in der Lage, langen Erörterungen zu folgen. Detailfragen müssen in solchen Gesprächen ein anderes Mal beantwortet werden. Sehr wohl spürbar ist in solchen Gesprächen aber die ernsthafte Anteilnahme des Arztes.

Beim Überbringen schlechter Nachrichten ist es wichtig, dem Patienten ein möglichst gutes Gefühl zu vermitteln, statt komplexer Fakten. Es geht um Mitgefühl, Verständnis und Halt. Laut Professor Jalid Sehouli, Autor des Buches „Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen“, geht es in derartigen ärztlichen Gesprächen vor allem darum, achtsam zu sein und Halt anzubieten. In einem Interview mit „Spiegel Online“ empfiehlt er, dem Gegenüber zu erläutern, „Ja, das ist eine schlechte Nachricht. Aber ich bin jetzt für Sie da. Und ich laufe auch nicht weg.“

Auch wenn ÄrztInnen je nach Fachrichtung teilweise mehrmals täglich schlechte Nachrichten überbringen müssen, wie etwa OnkologInnen, wird dies nicht zur Routine. Auch für Ärztinnen und Ärzte sind solche Gespräche schwierige und emotional belastende Situationen. Deshalb ist ein gewisses Maß an Selbstschutz und professioneller Distanz wichtig, ohne dabei kühl oder abweisend zu wirken. Gleichzeitig erfordern solche Gespräche Empathie – ein Balanceakt für alle ÄrztInnen.

Was tun, wenn der Patient aggressiv wird?

Einfühlungsvermögen ist auch der entscheidende Faktor im Umgang mit Patienten, die zu Aggressionen neigen. Verbale und tätliche Angriffe gegen medizinisches Personal haben mitunter gesamtgesellschaftliche Ursachen. In den meisten Fällen gehen sie aber von Menschen aus, die unter ihren Beschwerden nicht nur körperlich leiden, sondern durch die Krankheit und insbesondere durch einen Klinikaufenthalt ein hohes Maß an Hilflosigkeit empfinden.

Im Gefühl, die Selbstwirksamkeit verloren zu haben, kann es zu Aggressionen kommen, die sich gegen ÄrztInnen und PflegerInnen richten. Die Fähigkeit, diese Mechanismen nachzuvollziehen und empathisch auf die Situation des Patienten zu reagieren, hat einen abwiegelnden Effekt, der kritische Situationen entschärfen kann.

Fazit: Eine große Herausforderung, aber erlernbar

Ein erfolgreiches Arzt-Patient-Gespräch ist anspruchsvoll und verlangt hohe Konzentration und Achtsamkeit. Denn Patientinnen und Patienten möchten von ihrem Arzt und ihrer Ärztin ernst genommen werden und sich auf ihn oder sie verlassen können. Für MedizinerInnen bedeutet dies, dass sie viel Empathie mitbringen oder diese erlernen müssen.

Die gute Nachricht ist, dass sich die ärztliche Gesprächsführung trainieren lässt. Zum einen wird die Kommunikation bereits ausführlich im Medizinstudium behandelt. Darüber hinaus bieten Kliniken, Ärztekammern, kassenärztliche Vereinigungen, aber auch private Beratungsunternehmen spezielle Fortbildungen und Seminare auch im Online-Format an.

Titelbild: iStock.com/SDI Productions

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doctari Redaktion

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